Unsere Heimatgeschichte

Hier finden Sie verschiedene Artikel zur Heimatgeschichte - von verschiedenen Limbach-Oberfrohnaer Autoren. Die Beiträge wurden zudem seit Sommer 2015 im "Stadtspiegel" veröffentlicht.

 

Das Schützenhaus

Die Privilegierte Schützengesellschaft Limbach wurde am Himmelfahrtstag 1835 gegründet. Sie richtete sich einen Schießstand mit einer hohen Stange für das „Vogelschießen" in der sog. Töpferlehde ein. Schon 1842 reichte die Anlage für die Bedürfnisse der Schützen nicht mehr aus und sie kauften eine an das Grundstück des Försterhäuschens angrenzende Fläche auf Oberfrohnaer Flur von rund 1,6 Hektar für 700 Taler.

Nach Vorgangerbauten eines Schießhauses mit Schankstube und Kegelschub wurde im Frühjahr 1870 mit dem Bau eines größeren, massiven Gebäudes mit Restaurant und Tanzsaal begonnen, zugleich auch mit dem Bau der Straße vor dem Haus. Der Baumeister Meinig aus Limbach wurde mit dem Bau des Schützenhauses beauftragt, Gottlieb Wolf mit dem Ausbau der Straße. Der alte Kegelschub wurde abgerissen und dafür eine neue, überdachte Kegelbahn entlang der Straßenseite gebaut und in deren Fortsetzung eine neue Schießhalle errichtet.

Vom 25. bis zum 31. Juli 1871 sollte das Schützenhaus eingeweiht werden, da aber gerade zu diesem Zeitpunkt der Deutsch-Französische Krieg (19.7.1870-10.5.1871) ausbrach, wurde die Einweihung verschoben und fand erst am 11.Juni 1871 statt. 1876 kaufte der Gastwirt Theodor Gentzsch das Schützenhaus, später u.a. Linus Schubert. 1882 wurde das Gebäude erweitert, ein weiterer Umbau 1900 war von einem Unglück begleitet durch Verschulden des Bauunternehmers stürzte nachts der Tanzsaal vollständig in sich zusammen. Glück im Unglück. Am nächsten Tag war ein Öffentliches Konzert in dem Saal angesetzt gewesen. Der Saal wurde dann noch größer wiederaufgebaut. Am 18. Dezember 1883 ersuchte der Baumeister Richard Ludewig den Limbacher Stadtrat, eine Straße bis zum Schützenhaus bauen zu wollen, der Anfang der Schützenstraße. 1887 meldet der Baumeister die Fertigstellung der Straße, die 1888 von der Stadt übernommen wird.

Als hinderlich wurde von Anfang an gesehen, dass der Schützenplatz sich auf Oberfrohnaer Flur befand, zum Beispiel kassierte Oberfrohna die Schank- und Vergnügungssteuer auf diesem Grundstock. Limbacher Bemühungen zur Eingemeindung blieben aber erfolglos. Das änderte sich erst 1931, als das Schützenhaus zur Versteigerung kam. Es ging unter der Bezeichnung „Volkshaus" in das Eigentum der KPD über. Das führte zu Reibereien und Zusammenstößen mit den Schützen, die sich nach einem anderen Grundstück für ihre Gesellschaft umsahen. 1931 wurden die Vorstandmitglieder (Hertling, Zschernitz, Götz) fündig. Sie fanden den ehemaligen Fußballplatz des Limbacher Klubs „Helias", der an die Gaststatte „Kreuzeiche" anschließt, geeignet. Ein Streifen der daneben liegenden städtischen Obstplantage sollte zur Schießanlage umgebaut werden. Mit dem 1. April 1931 wurde der Mittelfrohnaer Ortsteil Kreuzeiche nach Limbach eingemeindet. Damit zählte die Stadt Limbach nun 18.605 Einwohner. Jetzt kam auch der Grundstücksaustausch mit Oberfrohna in Gang, mit Vertrag vom 5.11.1931 übernahm Limbach den bisherigen Schützenplatz, die Schützengesellschaft bekam den großen Sportplatz an der Kreuzeiche. Schon 1932 wurden Schützenplatz und Schießhalle mit einem Schützenfest eingeweiht. Im Juni 1932 nahm der Gasthof „Kreuzeiche" den Namen „Schützenhaus Limbach" an.

Das „Volkshaus“ an der Schützenstraße wurde 1938 wegen Baufälligkeit abgerissen. An seiner Stelle baute Georg Gunther seine Molkerei (Pestalozzistraße 29), die 1940 bis 1972 in Betrieb war, danach noch bis 1992 als Betriebsteil des VEB Molkerei Siegmar. Das Gebäude steht noch.

 

Quellen:   Paul Fritzsching, Limbach Heimatstudien 1933
                Wilhelm Schilling, Chronik der Stadt Limbach 1899
               
Richard Wunschmann, Die Privilegierte
                Schützengesellschaft Limbach

Michael Nestripke
Vorsitzender Förderverein Esche Museum e.V.

 

 

Zum Gedenken an Mundartdichter Herbert Köhler

Vor mehr als 40 Jahren verstarb am 30. November 1982 nach langer schwerer Krankheit der Schriftsteller Herbert Köhler, für den „Langeweile“ ein Fremdwort war, denn seine eigene Aussage „Mein Leben hat mich manches erfahren und empfinden lassen, nur eines nicht: Langeweile“, bekräftigte diese Feststellung. Anlässlich seines 40. Todestages möchten wir den Erinnerungen an den Heimatdichter diese Worte voranstellen. Die Vorfahren väterlicherseits waren einst aus Schottland eingewandert. Herbert Köhler erblickte am 9. Juli 1906 das Licht der Welt in Oberfrohna, wo er auch die Volksschule besuchte. Im Jahre 1921 begann Köhler eine Lehre in einer Handschuhfabrik, die hauptsächlich ihre Waren exportierte, um danach einmal als Fremdsprachenkorrespondent tätig zu sein. Dennoch hat er sich seine Heimatsprache stets bewahrt und wurde somit zu einem der besten, eigenwilligsten und eigenständigsten Autoren erzgebirgischer Mundartdichtung im vorerzgebirgischen Raum. Köhler hat mit seinen mundartlichen Erzählungen und Gedichten sich selbst und seine Heimat dargestellt. Darüber hinaus bereicherte Herbert Köhler auch in hochdeutsch geschriebenen Werken (Gedichte und Aufsätze) die Volkskunde unserer unmittelbaren Heimatregion und so war er unter anderem aktiv an der Erarbeitung des „Wörterbuch der obersächsischen Mundarten“ bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig beteiligt gewesen. Übrigens entstand seine erste Mundartgeschichte in Belgien während des Zweiten Weltkrieges und 1951 folgte eine zweite, dem über 60 weitere Geschichten folgten. Nach Kriegsende war er als Exportkaufmann tätig. Die eigentliche Mundartschreiberei begann er erst 1955. Sicher erinnern sich noch manche Leser an seine Geschichten in heimatkundlichen Publikationsorganen, wie dem „Heimatfreund für das Erzgebirge“ oder im Kalender „Sächsische Gebirgsheimat“, wo er über 20 Jahre mit Erzählungen und so weiter erschienen ist. Zu seinen besonderen Geschenken an gute Freunde gehörten aber auch sehenswerte kunstschriftliche Arbeiten, denn neben seiner Autorentätigkeit fand er viel Spaß und Zeit beim Umgang mit der Schrift und Schriftgestaltung und gelegentlich war er auch als Lektor für englische und schwedische Literatur tätig. Nebenberuflich wurde er ab 1956 als Mitarbeiter des Wörterbuches der obersächsischen Mundartforschung bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig aktiv. Durch seine Tätigkeit half er mit, das alte Wortgut der vorerzgebirgischen Mundart festzuhalten, die mehr als andere erzgebirgische Mundarten dem allmählichen Verfall ausgesetzt war und heute kaum noch gesprochen wird. Dadurch erwarb er sich bleibende Verdienste. 

                                                                                                                                                                                        

Text und Foto: Friedemann Bähr, Stollberg

 

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 16. Februar 2023 -

 

Der ehemalige Kaiserhof in Kändler – ein Rückblick

In der Chronik von Horst Strohbach wurden noch 1940 sieben Gaststäten, Schankgenehmigungen der beiden Sportvereine, Kaffeeausschank in der Bäckerei Junghans und Konditorei Hunger, sowie zwei Bierhandlungen genannt.

Der größte Gasthof war der „Kaiserhof“ an der Hauptstraße 35. Er geht auf eine Schänke des Rittergutes zurück. Ab 1609 werden die Gastwirte bzw. Besitzer der Schänke aufgeführt.  Als letzter Besitzer seit 30.5.1920 wird Ernst Rudolph Teichmann genannt, danach gibt es leider keine verlässlichen  Aufzeichnungen mehr.

      

Man sieht ein gepflegtes Anwesen, sauber abgeputzt, Blumenrabatten und    Springbrunnen vor dem Gasthof, damals „Konzert- und Ballhaus“ genannt. Der Saal mit Bühne konnte sich auch sehen lassen. In Kändler dürfte wohl damals kulturell etwas los gewesen sein. Die Einwohner von Kändler waren offensichtlich stolz auf ihren Heimatort. An Freunde und Bekannte verschickte man gern Grußkarten.

 

Die Ära des Kaiserhofes war mit dem Ende des zweiten Weltkrieges vorbei. In den Nachkriegswirren dachten die Leute zunächst nicht an Konzerte und Bälle. Es ging um das einfache Überleben. Was tun? Was ist machbar? Wohnraum war knapp viele Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten waren unterzubringen. So wurde unter dem Saal und im Gebäude rechts Wohnraum geschaffen.

Die damaligen Verantwortlichen in der Gemeindeverwaltung versuchten trotz aller Trostlosigkeit den Einwohnern Mut zu machen, denn es galt, das Land wieder aufzubauen. Neben der Arbeit sollte den Menschen Abwechslung, Entspannung, Freude und Optimismus offeriert werden. So nahm die Idee „Kulturhaus Kändler“ Gestalt an. 1948 wurde noch mal eine Schankgenehmigung an einen Gastwirt erteilt, doch das war nicht von Dauer. So wurde der „Kaiserhof“  zum „Kulturhaus“  umgestaltet.

          

Anfangs musste sich die „Kultur“ noch etwas gedulden. Das neugestaltete Schulwesen (Kändler hatte neben der Schule an der Hauptstr. noch ein zweites Gebäude an der Kirchstraße) erforderte eine Schulspeisung für alle Schüler und Schülerinnen. So wurden in den unteren Räumen die Schulküche und der Speisesaal eingerichtet. Der Verfasser kann sich erinnern, dass in den 1950/60er Jahren Frau Brangs und Frau Zingel täglich aus frischen Zutaten ein schmackhaftes Essen „gezaubert“ hatten. Bei den damaligen Versorgungsengpässen kein leichtes Unterfangen.

Im und vor dem Haus spielte sich das gesellschaftliche Leben ab.  Zweimal im Jahr fand ein Rummel statt. Ein Kettenkarussell, eine Losbude und eine Schießbude. Eis gab es nebenan die Kugel für 15 Pfennig in der Milchhandlung Arnold, daneben beim Bäcker konnte man Gebäck, zum Beispiel Wasserbrezeln für 5 Pfennig das Stück erstehen.

Im Saal spielten Jugendtanzorchester zum Tanz auf. Die Generation Ü-60 wird sich vielleicht noch an die „Dixis“ und „Dianas“ erinnern. Der Landfilm kam jeden Dienstag.  Der „Augenzeuge“ in der „Wochenschau“ als Vorspann war fast die einzige Möglichkeit Weltgeschehen in bewegten Bildern zu verfolgen.  Fernseher gab es nur wenige. Mit der Auflösung der Bezirksfilmdirektionen (BFD) im Juni 1990 war das Aus für den Landfilm besiegelt.

Man traf sich zum spontanen Stelldichein (Meeting, Date) oft vor dem Gebäude, sprach über dies und das, sogar in vollständigen Sätzen, man hatte dabei Blickkontakt, d.h. man musste heraus aus der warmen Stube. Smartphone, Smileys, Emojis, Whatsapp, SMS, Facebook, Twitter, Instagram usw. „halfen“ uns noch nicht bei der Kommunikation, welche damals aus genannten Gründen „sehr aufwendig“ war. Aber es war klasse, super, prima, ausgezeichnet, nicht kuhl (cool) oder geil, wie die heute für fast alles  benutzten Universaleigenschaftswörter. Und etwas besonders Außergewöhnliches war nicht affengeil, sondern „das gibt’s doch in keinem Russenfilm“ wie wir sagten. Denglisch war absolut unbekannt. Inzwischen wird es ratsam sein, einen Englisch-Kurs zu besuchen, um seine deutsche Muttersprache auch künftig verstehen zu können.

Wir haben uns auch nicht vorstellen können, dass unsere Sprache mal mit  Sternchen und Sprechpausen versehen werden muss, um die Gleichberechtigung von Mann und Frau  „durchzusetzen“. Das war überflüssig, weil unsere Frauen gleichberechtigt waren. Die Sprache muss jetzt gendergerecht sein. Frauen hinderte niemand Schlosser, Arzt, Wissenschaftler u.ä. zu werden. Nach erfolgreicher Ausbildung wurden sie u.a. Ärztin genannt, nicht „Ärzt*in“ oder „ÄrztIn“, weil es damals keinen „Ärzt“ gab...

Einfach in der Clique das Dorfgeschehen zu verfolgen genügte uns. Fitnessstudio? Wozu? Wir waren immer fit. Der Sportverein hatte viele aktive Mitglieder, die im Wettkampfgeschehen der Region gut mithielten. Auch die Freiwillige Feuerwehr konnte sich nicht über eine genügende Anzahl von Kameraden beschweren. Ein Höhepunkt (Highlight) eines jeden Jahres waren die legendären Feuerwehrbälle im Kulturhaus. Wenn die „Großolbersdorfer“ aufspielten, ist der Saal stets ausverkauft gewesen.

Die Bushaltestelle war sehr stark frequentiert.Vor allem in der Hauptverkehrszeit. Die Werktätigen arbeiteten in großer Zahl in Karl-Marx-Städer Großbetrieben. Sie brauchten nicht ihren nachts in der Garage ruhenden PKW morgens zur Arbeitsstelle transportieren, um ihn nach der Arbeit wieder zu Hause abzustellen, weil man keinen fahrbaren Untersatz hatte. Wenn nach über zehn Jahren Wartezeit dann ein Trabbi zum Haushalt gehörte, nutzte man diesen für Wochenend- und Urlaubsfahrten. Zur Arbeit fuhren die Leute mit Fahrrad, Moped, Motorrad oder bequem mit dem Bus, wenn sie nicht zu Fuß in einem der vielen Betriebe im Ort beschäftigt gewesen sind.

Anfangs gab es nachkriegsbedingt exotisches, „rollendes Bus-Material“ zu beobachten. Alte Büssing, Vomag oder Lowa-Busse, einmal fuhr sogar ein Doppelstockbus. Der Gaubschat hatte sogar eine durchgehende Verbindung vom Triebwagen zum Anhänger. Heute steht er im Fahrzeugmuseum Hartmannsdorf. Auch Busse mit Anhänger waren nichts Ungewöhnliches. In der Anfangszeit versah jeweils ein Schaffner im Triebwagen, der andere im Anhänger seinen Dienst. Später gab es nur noch einen Schaffner für beide Abteile. Mit dem Einsatz der modernen, ungarischen Ikarus-Busse wurde auch dieser Arbeitsplatz eingespart und die Kassierung übernahm der Busfahrer gleich mit. Auf ein seltenes „Vorkommnis“ soll  noch hingewiesen werden, denn es passierten manchmal seltsame Dinge: So boten im Bus oft jüngere Fahrgäste Älteren ihren Sitzplatz an. Unvorstellbar, aber das gab es wirklich!

Nach der politischen Wende erlahmte das Interesse an einem kulturellen Zentrum im Ort. Die weite Welt stand jetzt offen, das Kulturhaus dafür leer, verfiel und ihm wurde das Schicksal vieler historischer Gebäude zuteil: Kein Interesse, Erhalt zu teuer, Abriss. Die Genehmigung zum Abbruch erfolgte am 4.10.2000 – zum 22.03.2001 war die Sache erledigt.

     

Auf der freien  Fläche entstand ein Spielplatz. Davor befindet sich ein Parkplatz, die Haltestelle der Buslinie nach Chemnitz ist erhalten geblieben.

  

Es wäre gut, wenn Haltestelle und Buslinie nicht das Schicksal des Kulturhauses ereilen würde. Denn nach dem „Chemnitzer Modell“ soll ja wieder eine Bahnverbindung („Straßenbahn“) nach Limbach errichtet werden. Vielleicht „in etwa 10 Jahren“ berichtete die „Freie Presse“ am 6.8.21 auf S. 15, wobei eine Entscheidung zum Trassenverlauf „nach Angaben des Rathauses bis Anfang kommenden Jahres“ getroffen werden soll.

Dabei ist unter anderem an die Nutzung der alten Gleisanlagen gedacht, die Kändlers Ortsrand am Tännigt streifen. Vielleicht gibt es dann dorthin einen Zubringerbus – elektrisch, oder es kommt noch ganz anders, denn während heutiger ellenlanger Planungszeit (Vgl. „Mein Kändler“ 04/2020, S.9 ehemalige Bahnline Kändler … 12 km, 1896, Bauzeit 3 Jahre!) wird noch viel Wasser den Pleißenbach hinabfließen.

Michael Sieber

Danke an die Unterstützer Herr Bohmann (Stadtarchivar), Frau Pfeiffer, Herr Kurth, Frau Kreßner, Herr Roßmeisl u.a. für die Bereitstellung von Informationen und Fotos.

 

 

 

Vor 100 Jahren baute die Gemeinde Oberfrohna ihr drittes Wasserwerk aus

Beschaffung von lebenswichtigem Wasser ist Voraussetzung jeglicher menschlicher Ansiedlung. Schon immer bevorzugte man dabei Grundwasser: Bereits im Alten Testament nannte man es lebendig. Als totes dagegen bezeichneten die Völker dort in Zisternen gesammeltes Niederschlagswasser. Es war unter den Klimaverhältnissen in der Gegend dieses Handelns das für die Bevölkerung oft nur vorhandene. Schon seinerzeit gab es technisch ausgeklügelte Lösungen. Immer dichtere Besiedlungskomplexe schafften sich dann  Anlagen zum Gemeingebrauch. Entsprechend technischer Fertigkeit und verfügbaren Materialien waren das der Schwerkraft unterliegende Freigefällesysteme. Mit steigenden Fähigkeiten in der Rohrfertigung kam man bereits in griechischer und römischer Antike auf  Druckleitungen. Ebenso früh waren Hebesysteme unter Ausnutzung von Wasser- und Windkraft entwickelt worden. Ab spätem  Mittelalter verfeinerte man das maschinelle Pumpen. Dampfkraft kam zu Beginn des 19. Jahrhunderts und dann Elektroenergie ab 1890, bei uns in Limbach und Oberfrohna 1907 auf. Bereits 1783 fertigte das Eisenwerk Lauchhammer (Detlev Carl v. Einsiedel) durch dort mit entwickelte bessere Fließfähigkeit des Materials gusseiserne Rohre in Serie. Verbindungen erfolgten geflanscht oder gemufft. Die Wasserverteilungssysteme erreichten Obergeschosse der Gebäude. Seit Aufnahme der nahtlosen Rohrfertigung durch die Gebrüder Mannesmann bis 1890 sowie Erkenntnissen zur Korrosionsverhinderung bei der Erdverlegung durch bituminösen Außenschutz kamen Stahlrohre zum Einsatz. Für die Löschwasserbereitstellung entwickelte man Hydranten. Kreiselrad- auch als Zentrifugalpumpen bezeichnet, ersetzten dann die Kolbenpumpen.  Etwa ab 1840 wurden in deutschen Landen öffentliche Wasserversorgungen der Kommunen auf dieser Basis ausgebaut, meist neu errichtet. In Limbach war das 1892 und in Oberfrohna 1905. Infolge zunehmender Industrialisierung und verbunden mitkommunalen Ausbau stieg der Bedarf steil an. Man musste weitere Wassergewinnungsgebiete erschließen und das möglichst territoriumsnah.

Oberfrohna kaufte dafür ab 1910 die damals vielen Waldflurstücke bis auf das des Bauern Vogel (Hellvogel) im dann so bezeichneten Gemeindewald  zusammen. Unter anderem waren das auf eigener Gemarkung die der Bauern Herrmann Fischer (Gut bis 1937 im Schulgarten) und Landgraf (Oberer Gutsweg abwärts neben Gerhart-Hauptmann-Schule, Reste noch bis 1964 zu sehen). Wasser gehörte seinerzeit zum Grundstückseigentum.

1911, in einem sehr trockenen Jahr, erwarb die Gemeinde noch die Wasserrechte in  Eschen‘s Wiese auf Rußdorfer Flur am bereits seit 1903 vorhandenen Sonnenbad. Schon im Talansatz von Osten nach Süden weiter oben trat dort Grundwasser flächig aus. Ein Teil davon  auf Oberfrohnaer Flur diente dem Sonnenbad als Zulauf.

Der Bereich war schon viel früher als gute Quelle bekannt, wie Horst Strohbach in Geschichte und Überlieferung des Bauerntums zu Oberfrohna Seite 33 erwähnt:

Der heute noch auf Otto Fichtners Gut (jetzt Lindner, Oberfrohna) stehende einzelne Kirschbaum ist der letzte Rest einer ganzen Kirschenallee (Johanniskirschen), die bis hinter ans Holz ging, fast in die Nähe der halbverfallenen Holzwächterhütte am Rußdorfer Weg, in der der „Pfau-Lieb“ hauste. Dicht dabei, beim heutigen Eingang des Sonnenbades Rußdorf, lag auch die sumpfige Wiese mit vieler Bornkresse. Vom niederen Zaunende her, wohl 5 m, auf Oberfrohnaer Flur quoll auch einst der Buchenborn. Dort holte der Pfau-Lieb sein Wasser.

Nach dem Ersten Weltkrieg konnte Oberfrohna dann dort den weiteren Ausbau ihrer Gemeindewasserversorgung in Angriff nehmen:

Zunächst geschah das 1919 zur Wassergewinnung durch eine  Quellfassung mit Sicker- und Vollrohren sowie Kontrollschächten dazwischen. Ihr Verlauf ist entlang des Sonnenbades von oberhalb bis zur großen Eiche nach dem Naturheilvereinsgelände. Neben dem vorläufigen Endschacht erstellte die Freiberger Fachfirma August Löffler ein provisorisches Pumpwerk in einem kleinen Schuppen. Dazu verlegte man dichter entlang der  Landesgrenze auf Altenburgischen Gelände  (Ausland) eine Förderleitung DN 150 Mannesmannstahlmuffenrohr hoch bis zur Waldenburger Straße. Dort verlief auf Oberfrohnaer Seite (links in Richtung Höhe) seit inzwischen 14 Jahren die Fallleitung vom Hochbehälter der „Oberen Zone“ nach dem eigentlichen Gemeindegebiet. Diesen mit 350 Kubikmeter (m³) Inhalt hatte die Gemeinde seinerzeit auf Flur Meinsdorf am Südende der Meinsdorfer Straße auf dafür erworbenen Grundstück errichten lassen. Er bestimmte den Verorgungsdruck im überwiegenden Gemeindegebiet. Die so 1919 gewonnene Tageskapazität betrug 130 m³.

Nach einem Jahr der Beschaffung von Finanzmitteln dienenden Pause baute sie  ihr Wasserwerk im Gemeindewald weiter aus:

die Quellfassung anschließend bis runter in den Nordwestteil des Waldes

dort ein Pumpwerk mit Sammelreservoir von ebenfalls 350 m³ Inhalt
gleichzeitig die Förderleitung parallel verlegt und  Anschluss an die oben bereits vorhandene.

Diesen Auftrag für den zweiten, größeren Teil hatte Oberfrohna nach einem Ausschreibungsverfahren diesmal der Fa. Otto Silbermann, auch aus Freiberg, übertragen. Otto Silbermann war ungefähr bis Ende des Ersten Weltkrieges Oberingenieur bei August Löffler. Ihn kannte man in der Gemeinde also schon vom Erstausbau und dem 1908/09 folgender Erweiterung des Oberfrohnaer Wasserwerkes im Frohnbachquellgebiet.

Allerdings erhob Bräunsdorf nun Einspruch. Dort sah man sich der Möglichkeit benommen, das auf ihrer Flur an- und für den Ort ausreichend hoch liegende Quellwasser für eine eigene Gemeindewasserversorgung zu nutzen. Im darauffolgenden Wasserrechtsverfahren, seit 1909 gab es das Sächsische Wassergesetz, sollte der Ort einen Teil des Wasseraufkommens im Gemeindewald erhalten. Das aber nur, sobald er in der Lage war, ein eigenes Verteilungssystem auszubauen. Bräunsdorf  schaffte das wirtschaftlich bis 1930 nicht, obwohl es rohrtechnisch im Pumpwerkskeller bereits vorbereitet war.  Erst 1930/31, mit dem weiteren Ausbau der Oberfrohnaer Wasserversorgung durch Fassen neuer Grundwasservorkommen im Folgental (Quellfassung, 2 Tiefbrunnen) leistete Oberfrohna den Aufwand für das zum Durchfördern reichlicher dimensionierte Netz (Wasserrechtserwerb auf Fluren von fünf Gütern, Durchleitungsverhandlungen am 9. November 1929 abends im Gasthof „Linde“). Bräunsdorf musste nur noch Leitungsabschnitte im Niederdorf sowie die Hydranten finanzieren. Nach dem Ausbau in Bräunsdorf wurde durch den Ort in das Sammelreservoir Gemeindewald gepumpt, sofern die Ergiebigkeit der anderen Oberfrohnaer Gewinnungsanlagen zurückfielen.

Die 1923 eingerichtete Kinderwalderholungsstätte im Südwesten des Gemeindewaldes auf Bräunsdorfer Flur sowie die im gleichen Jahr gegründete Gartenanlage Einigkeit am Gemeindewald  (im Gebrauch dann „an der Rewenselschänke“) erhielten  jeweils einen Anschluss von der Förderleitung aus. Zu der Zeit endete das nächstgelegene Wasserrohrnetz noch in der Wolkenburger Straße.

Nun verwende man auch mal einen Gedanken an die von der Fachfirma zu betreibende Logistik unter den damaligen Bedingungen:

Der Tiefbau für Fassungen, Förderleitung und Pumpwerk im Gemeindewald erfolgte den Sommer über als Akkordarbeit mit ungefähr 40 Mann in reiner Handarbeit. Das bedeutete, die bis zu 3,5 m tiefen Fassungsgräben sowie die noch tieferen Baugruben für die Kontrollschächte dazwischen mussten mit Holzausbau gegen Einstürzen gesichert werden. Der Aushub erfolgte mittels Zwischenbühnen und Absetzen (Umschaufeln) oben, also drei Mann arbeiteten übereinander. Schachtringe wurden zur Baugrube gerollt und mit Dreibock eingelassen, ebenso dann die Rohre der Förderleitung. Das in den Graben eintretende und darin ablaufende Grundwasser musste beim Verstemmen der Muffen, bei Fassungssträngen aus Steinzeug mit Strick und Teer-, in den Druckrohren nachgeschlagener Bleiverguss mittels Handpumpen, vorübergehend sohlnah gehalten werden. Bodenbereiche mit vielen Granulittrümmern wurden angetroffen. Zwei Mann waren deshalb mit Schubkarren täglich zur Liebert-Schmiede in Oberfrohna an der damaligen Hauptstraße unterwegs, um die Hacken schärfen zu lassen. LKWs kamen erst auf. Vom Bahnhof Oberfrohna erfolgte der Rohr- und Schachteiletransport durch örtliche Fuhrunternehmer mit Pferden per Langwagen in den Wald. Die Stahlrohre maßen 6 m. Deren bitminöse Umhüllung erforderte dabei besondere Achtsamkeit, sonst bestand Lochfraßgefahr. Schachter kamen aus dem Ort bzw. der Umgebung, Rohrleger aus Freiberg. Die blieben die ganze Woche, übernachteten in Oberfrohna. Zur Baustelle und zurück liefen die Männer. Für Pausen und Werkzeuglagerung standen pferdegezogene Bauwagen mit eisenbeschlagenen Holzrädern zur Verfügung. Bei Errichtung von Sammelbehälter und Pumpwerk verwendete man Baubuden. Aber hier fanden bereits von Dieselmotoren getriebene Mischanlagen Verwendung. Samstags wurde bis 16 Uhr gearbeitet.

Wenigstens gab es für solche Leistungen beim Ausbau der Infrastruktur bereits Finanzzuschüsse aus der Arbeitslosenhilfe des Landes Sachsen.

Zweimal sogar legten die Arbeiter kurz die Arbeit nieder. Hintergrund war, dass der damalige Stundenlohn nach dem Ersten Weltkrieg, einer Zeit mit viel Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Verwerfungen,  inflationsbedingt täglich steigenden Lebenshaltungskosten gegenüber stand.

Im Pumpwerk kam zunächst nur eine Pumpe mit 65 m³/h Fördermenge und 75 m Förderhöhe zur Aufstellung. Der bisher alleinigen Hochquellenversorgung floss in wasserreichen Jahreszeiten den beiden Oberfrohnaer Druckzonen ausreichend Wasser zu. Dann musste das Förderaggregat nicht laufen. Seinerzeit schon ging man sparsam mit Elektroenergie um.

In diesem bis 1926 als 1. Phase zu bezeichnenden Ausbau des Oberfrohnaer Wasserversorgungssystems stand in der Wasserwerkskasse eine Verschuldung von 10.849 Mark  einer jährlichen Einnahme von 42.391 Mark gegenüber. 1928 wurden dabei rd. 300.000 m³ verkauft. Allerdings kam es ab dem Jahr  zu einem deutlichen Rückgang infolge Umstellung des Gemeindeelektrizitätswerkes auf vorrangigen Fremdstrombezug. Damit reduzierte eigene Stromerzeugung benötigte dann jährlich ungefähr 5.000 m³ weniger Kühlwasser.

Die Elektroenergie gelangte zuerst per Freileitung in das Pumpwerk.

1928 wurden Trafostationen der Orte Bräunsdorf, Strumpffabrik und Rußdorf, Welkers als 5 kV (5000 Volt) Starkstromring vom Eltwerk Oberfrohna über die Wolkenburger Straße  und dem Wasserwerk erschlossen. Das erhielt rechts des Maschinenraumes einen Anbau für die Trafostation. Die zweite Pumpe, ebenfalls von der Firma Klein, Schanzlin und Becker Frankenthal/ Pfalz (jetzt KSB) mit 55 m³/h wurde angeschafft und vor allem bemerkenswert, eine Fernmess- und Fernsteueranlage der Dresdner Firma Bloch, dann AEGIR eingebaut. Weil das seinerzeit Kabelverbindung erforderte, ließ die Gemeinde ein Fernmeldekabelsystem verlegen. Das verband den Hochbehälter auf Flur Meinsdorf, eine neu errichtete Hilfspumpstation an der Waldenburger Straße hinter der Nr. 78 auf Oberfrohnaer Flur für dort hochgelegene Gebäude, und das Wasserwerk im Gemeindewald mit dem Oberfrohnaer Rathaus. Eine Vorstellung vom Aufwand: 4.000 m 8- und 12-adriges Kabel erdverlegt.

Im Kellergeschoß, dem Sitz des Ortsbauamtes, stand die hellmarmorne Instrumententafel mit Messing gerahmten Anzeigen und Schaltern. Die Pumpen ließen sich von dort aus zuschalten, wenn der ebenfalls angezeigte Hochbehälterstand das erforderte. Vielleicht mit interessant: Deren Motoren wurden zur Vermeidung eines Spannungszusammenbruches bei Direkteinschaltung mittels handradbetätigten Anlasser sanft angefahren. Jetzt für den Automatikbetrieb nahm statt Handregler ein Anlassermotor über ein Schneckengetriebe die Widerstandsveränderung vor.

Dabei bedingte Zeitabläufe wurden über eine Art Uhrwerk geregelt.

Überhaupt:  Oberfrohna versorgt seit 1926 Mittelfrohna neben Gas und Strom, auch mit Wasser.

1927 und 1928 baute die Gemeinde ihr Rohrnetz weiter aus:

Über insgesamt 1.975 m Verstärkungsleitung von dem Hochpunkt der Waldenburger Straße entlang dieser, dann dem oberen Gutsweg, Schröderstraße, Karlstraße, Bergstraße, heutige Willy-Böhme-Straße bis zur Lindenstraße. Dazu kamen in weiteren Gemeindestraßen sowie bereits im damals noch selbständigen Rußdorf 2.760 m Wasserleitungen als Erweiterung des Netzes. Zu der Zeit erschloss die Gemeinde großteils auch das Gartenstadtviertel beidseits der heutigen Rußdorfer Straße mit, Stadtgas, und Strom, dazu gehörig Kanäle zur Entsorgung, schließlich Straßenbau. Der Tiefbau erfolgte noch immer von Hand. Mit jeder Erweiterung stieg der Wasserbedarf.

Bei fortschreitenden Betrieb öffentlicher Wasserversorgungen bildeten sich Erkenntnisse auch zur Wirkung von Grundwasserinhaltsstoffen auf Rohre sowie letzendlich bei den Verbrauchern heraus. Aufbereitungstechnologieen wurden entwickelt. Solchen Handlungsbedarf erkannte entsprechend auch Stadtbaumeister Oswin Haas (Oberfrohna seit 1935 Stadt) für die Zuläufe aus den Pleißaer Quellen sowie für die im Stadtwald. Nach Beratung durch den schon seit den 1927er Vorhaben  für Oberfrohna als Planer tätigen Zivilingenieur Ernst Österreich aus Dresden kam es 1937 daraufhin zum Aufbereitungsbau. Der Oberfrohnaer Baubetrieb Hans Thieme an der heutigen Körnerstraße, jetzt Baugeschäft Granz, errichtete am Pumpwerksgebäude ein offenes Filterbecken in einem unmittelbaren Anbau links.

Die Abgangshöhe im Hauptsammelschacht, unterster der Quellfassung sowie das Niveau des Sammelreservoirs ließen bei Freigefälledurchlauf diese Anordnung zu. Mittels waagerechtem Gerinne wurde das Quellwasser auf das darunter eingebrachte Filtermaterial verteilt. Zur Entsäuerung, Enteisenung und Entmanganung, wurde fein gekörnter Kalksteinsplitt (Decarbolith) eingesetzt. In Voraussicht hatte sich Oberfrohna 1944 (Zweiter Weltkrieg, Luftschutzmaßnahmen) sogar reichlich damit eingedeckt. 1945 konnte ein kleiner Teil davon nach Pleißa für deren Anlage am Tiefbrunnen beim Großen Teich abgegeben werden.

Das Wasserwerk im Gemeindewald kam gut über die Kriegszeit. Nur der Bombenwurf am 6. Februar 1945 traf unterhalb vom Rosenhof das dort im nördlichen Fußweg der heutigen Rußdorfer Straße verlegte Steuerkabel.

In der Zeit danach kam es immer wieder zu Stromausfällen und damit stundenweisen Pumpenstillstand. Mengenmäßig konnte das in der Regel durch die über den täglichen Zulauf höhere Förderkapazität aus dem reichlich bemessenen Sammelreservoir abgefangen werden. Sowieso wirkten beide Oberfrohnaer Hochbehälter. Der auf Flur Meinsdorf war zudem 1930 um 650 m³ Speichervolumen erweitert worden.  Allerdings fiel die Fernsteuerungstechnik immer mehr aus. Ersatzteile gab es kaum. Dann in den 1960ern funktionierte im ehemaligen Oberfrohnaer Rathaus nur noch die Anzeige.

Mit dem Ausbau des Wasserwerkes Folgenbach durch Oberflächenwasseraufbereitung musste auch im Stadtwaldwasserwerk die Förderkapazität erweitert werden. Auftragsvergaben erfolgten seinerzeit nicht mehr nach Ausschreibung sondern im Rahmen einer bezirksgeleiteten Zuordnung von Baukapazitäten. Ab Winter 1970 verlegte der seit 1964 zuständige VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Karl-Marx-Stadt (VEB WAB) eine neue Förderleitung in DN 200 AZ (Asbest-Zement) bis hinauf zur Straße der OdF (heute wieder Waldenburger Straße).


Ein Abzweig führte zum Leitungsende in der heutigen Rußdorfer Straße am Schreberweg. Die bauvorbereitende Planung kam aus der technischen Zentralverwaltung des Versorgers. Freischneiden der Trasse im Wald erfolgte durch die beiden Oberfrohnaer Rentner Konrad Oberländer und Erich Oehme. Sie arbeiteten als örtliche Helfer des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes Flöha. Mit damals nur verfügbaren Handsägen war das noch zu bewältigen, weil der Verlauf  überwiegend in Bereichen außerhalb der Wiederaufforstung neben den Wegen erfolgen sollte. Die wiederum beruhte auf Brennmaterialknappheit und meist illegalen Auslichtungen im Gemeindewald nach dem Zweiten Weltkrieg. Von Bräunsdorf konnte man die Rußdorfer Gebäude sehen, erzählten die Älteren. Den Tiefbau brachte die Richard Vogel KG, Sitz in der Arno-Förster Straße 44 (heute A.-Einstein-Straße), Betriebsleiter Harry Unger. Die Arbeit der Handschachter übernahm jetzt ein Traktorbagger Belarus und Schüttgütertransporte ein dreiachsiger zum Kipper umgerüsteter und gasangetriebener (Propan/Butan) LKW des Types SIS (Sawod imeni Stalina), beides sowjetische Produktion. Dabei führte ein ungenauer Bestandsplan zum Zerreißen des Hochspannungskabels westlich vom Inselteich, glücklicherweise ohne Personenschaden. Die gewichtsmäßig schwere Rohrverlegung nahm das jüngere Personal des Meisterbereiches Limbach-Oberfrohna vom VEB WAB unter Meister Günter Fischer (seit 1954) vor .

Da die neuen Förderaggregate GLA 100/4 des Herstellers VEB Apollowerk Gößnitz stärkere Motorleistung besaßen, war auch eine höhere Trafoleistung erforderlich. Der kam in einem gesonderten Typenbau rechts daneben unter. Während des Umbaues ließ der nun verbrauchsbedingte  Dauerbetrieb keine längere Außerbetriebnahme zu. Die jüngere der bisherigen Pumpen musste daher fast durchgehend laufen, während bereits anstelle der anderen eine neue eingebaut wurde. Pumpenfundamente, Maschinen und die Rohrtechnik montierten Mitarbeiter des Meisterbereiches.  Elektrotechnisch arbeiteten in den Bereichen Starkstrom ein Lichtensteiner Fachhandwerksbetrieb, bei Arbeitsstrom der vom Elektroingenieur Wolfgang Pester aus Limbach-Oberfrohna. Steuerungsseitige Leistungen brachte die Spezielwerkstatt des VEB WAB. Eine vom Hochbehälterstand ausgehende Förderung war über das noch funktionsfähige Kabel eingerichtet worden.

Auch der Pumpenbau lief vor 1990 kontigentiert. Infolge standen nur Aggregate zur Verfügung. die den Förderbedingungen nur annähernd entsprachen. Ein gewisses Sicherheitsdenken kam hinzu. Die Pumpen mussten gedrosselt werden. Um 2,5 bar sowie 20 m³/h erhöhte, aber eigentlich nicht verwertbare Förderleistung bedingte eigentlich unnötiges Mehr an Stromverbauch. Zu der Zeit hatte das aber nur nachgeordnete Bedeutung.  Ein geringer Preis des Lebensmittels Nr. 1 erzeugte sowieso hohen  Verbrauch in Oberfrohna und Niederfrohna. Mit mehr Wasser aus dem zuvor seit 1962 wesentlich erweiterten Wasserwerk Folgenbach wurde dazu eine Teilmenge aus der Druckzone Oberfrohna in die 18 m höhere von Limbach mit dem Wasserturm als druckbestimmender Hochbehälter weiter gefördert. Die Pumpen im Wasserwerk Stadtwald liefen durch.

Nach Wiedereinführung von Wettbewerbstrukturen ab 1990 war auch besser angepasste Fördertechnik verfügbar. Die Landkreisbehörde verfügte 1994 Herausnahme der Oberflächenwasseraufbereitung im Wasserwerk Folgenbach mit Folge eines geringeren Durchsatzes. Dementsprechend angepasste Maschinen wurden 1997 im Stadtwald eingebaut. Zugleich stand wieder und besseres Aufbereitungsmaterial zur Verfügung. Das seit 1937 zur  Rückspülung des offenen Filters genutzte, lautstarke Walzengebläse  wurde noch durch ein geräuschgedämmtes ersetzt. Bis dahin hörte man das alte bei jeden Rückspülvorgang auf der Oberen Dorfstraße in Bräunsdorf.

110.000 m³ lieferte die Quellwasserfassung im Gemeindewald jährlich. Aufgrund Abnahmeverpflichtung aus dem Fernwasserversorgungssystem musste jedoch die Netzeinspeisung  aus örtlicher Gewinnung im Jahr 2000 auf die knappe Hälfte zurück gefahren werden. Ab 2002 war auch das noch zu viel. Dazu erklärten die Fachbehörden das Vorkommen als nicht mehr schützbar. Oberhalb vom Gemeindewald hielt sich die dort bearbeitende Landwirtschaft nicht unbedingt an amtliche Vorgaben für solche Trinkwassereinzugsgebiete, obwohl sowieso Nutzungsausgleich für mögliche  Ertragsminderung dafür gezahlt werden musste. Das Sonnenbad hat man seit 1978 in seiner Liegefläche nach Südwesten auf Rußdorfer Flur und damit über die darunter liegenden Fassungsanlagen erweitert. Sein in den Bräunsdorfer Bach durch den Wald ablaufendes Beckenwasser entsprach ebenso nicht diesen Schutzvorgaben. Dazu gab es derzeit noch  Probleme mit der Dichtheit vom Abwasserkanal in der Straße am Gemeindewald, also im Anstrombereich der Quellen. Im Fazit stimmten unsere damaligen Stadträte mehrheitlich der von dem Landkreis sowie dem jetzt zuständigen Trinkwasserversorger in Glauchau vorgeschlagenen Außerbetriebsetzung dieser Wassergewinnung zu.

Das Wasserwerk im Gemeindewald, wir nannten es wie von unseren Vorgängern überliefert, weiter Stadtwald, wurde 2006 zurückgebaut.

Den Altteil der Fassungen bis zur großen Eiche am Dreiflurenstein übernahm unsere Stadt fürs Sonnenbad. Unten ist noch ein Teil erhalten, um die Vernässung  des Wasserwerksweges zu verhindern. 

Aus gewässerökologischer Sicht positiv: Seit dem Rückbau der Fassungen läuft wieder ganzjährig ab unterhalb des Sonnenbades Wasser im Oberlauf des Bräunsdorfer Baches.

Unser Wasser - das Eigentums- und Wertebewusstsein einer übersehbaren Kommune früher, ist nun auch in Limbach-Oberfrohna verschwunden. Andere, moderne Reize dazu digital noch potenziert, wirken eben heute auf die Bürger von allen Seiten ein. Nur Überreizte, einige mit ihren Kindern oder Hunden, suchen immer mal die Ruhe des Waldes. Vielleicht kann man dieses Bedürfnis aufnehmen:

Am Inselteich würde sich die Gelegenheit bieten, Quellwasser, Teiche und Wald für Jedermann erholend dazu mit gesundheitsfördernder Wirkung sowie Spiel und Unterricht darzustellen. Aufwand dafür erscheint im Vergleich zu anderen kommunalen Vorhaben auch vertretbar. 

Reinhard Käferstein

 

Ein Rundgang durch Pleißa

In der Festschrift „50 Jahre Stadtrecht Limbach-Oberfrohna“ von 1933 hat Horst Strohbach einen aufschlussreichen Beitrag über Pleißa veröffentlicht. Michael Nessmann, Vorsitzender des Heimatvereins, hat diesen „ausgegraben“ und unter anderem auf einer Tafel an der neuen Sitzgruppe am Baumgartenweg anbringen lassen.                                   

Eine sehr schöne Wanderung bietet ein Rundgang durch das idyllisch am Fuße des Totensteinhöhenzuges gelegene Pleißa. Ein herzhafter Volksmund, wohl aus längst verrauschten Zeiten, wußte einst boshaft zu erzählen: „Wanderer, wenn du von Langenberg über Pleißa nach Kändler in übermütiger Weiße deine Schritte lenkst und bist unterwegs nicht ausgeplündert oder halb totgeschlagen worden, so knie nieder, bete ein Vaterunser und gelobe feierlich: Ich wills nicht wieder tun!“

Diese Worte entstammen nach mündlicher Ueberlieferung irgend einer Nachkriegszeit früherer Jahrhunderte, in der Plünderer die hiesige Gegend unsicher machten. Später, besonders in den politisch erregten Jahren nach dem Weltkriege, ist Pleißa ein bezeugt ruhiger Ort gewesen, sicher ein Verdienst seines energischen Oberhauptes.

In der Meißner Jurisdiktionsmatrikel wird Pleißa zum ersten Male im Jahre 1346 genannt und zwar als Kirchdorf. Am 13. Dez. 1375 verkauften die Edlen von Waldenburg, denen die reichsunmittelbare Wirtschaft Rabenstein mit Pleißa und einigen anderen Dörfer gehörte, Pleißa mit an das Benediktinerkloster in Chemnitz. Diese Abhängigkeit Pleißas endigte 1540 mit der Einführung der Reformation. 1879 zählte Pleißa 2400 Einwohner und heute über 3200. Sein Gemeinde-Parlament ist von 12 Mitgliedern der NSDAP besetzt.

So komm, lieber Heimatpilger, und wandere mit, auf einem Spaziergang durch Pleißa alter Erinnerungen zu pflegen. Pleißa hat seinen Namen als erstes Dorf im Pleißenbachtale von dem auf der Langenberger Waldhöhe entspringenden Pleißenbache erhalten. Der Name selbst stammt von dem sorbischen Plisni, das soviel wie Pfütze, Tümpel, Sumpf bedeutet. So weißt die Entstehung des Namens auch auf die vielen Teiche und Sümpfe früherer Zeit im Pleißaer Grund hin.

Beginnen wir nun unsern Rundgang von Kändler her. Bald stehen wir vor einem hellgeputzten Doppelgut, dem „Lindenhof“, wie es vor einem Jahr sein neuer Besitzer kaufte. Schauen wir durch das Hoftor, so erfreut uns die Erhaltung alter Bauweise: ein überdachter Laubengang und ein ebenso überdachte Treppenaufgang. Dies bezeugt, dass Pleißa einst genau wie Limbach durch rheinfränkische Siedler gegründet wurde. 30 Güter von je ca. 40 Acker sind damals in gleich schöner Bauweise errichtet worden. Doch haben, wie so oft, die späteren Besitzer aus Ersparnisgründen diese schöne rheinfränkische Bauart nicht erhalten.

Nach einer Wegbiegung grüßt das „Gasthaus zur Sonne“, das jetzt unter dem Pächter, Herrn Otto Zschau, ein neues Aufblühen erlebt. Von ihm erfahren wir, dass an dieser Stelle früher eine Flachsbreche stand und dass dem späteren Besitzer nur der Bierausschank genehmigt worden war. Den Hauptverdienst aber brachte der Schnapsumsatz; selbst der Brigadier trank hier gern sein „Zuckerwasser“.

Wir überschreiten nun das erste Mal den Pleißabach, der dann weiter durch Kändler, Röhrsdorf, hinüber in die Gegend der Kaltbrüche (Naturtheater) und durch Rottluff, Altendorf in den Chemnitzer Schlossteich fließt. Zur Rechten liegt die „Klausmühle“, nach einem anderen vorherigen Besitzer auch Berthelsmühle genannt. Es war dies einst bachabwärts die siebente Mühle Pleißas; heute ist keine einzige mehr im Betrieb.

Bald zweigt rechts die schnurgerade Klausstraße ab, von Spaßvögeln gern als Pleißas „Kaßberg“ bezeichnet. Links am Bache steht die einzige Bleicherei des Ortes, die sich schon in dritter Generation in den Händen der Familie Löbel befindet.

Hinter der Löbelbleiche steigt der Krämerberg steil in den Himmel empor. An seinem Fuße sollen früher von Waldenburg her durchziehende Krämer oft ihre Waren zum Verkaufe angeboten haben.

Wir kommen am „Cafe Dietrich“ vorüber. Nach einer weiteren Überquerung des Baches liegt auf gleicher Seite das „Gasthaus zur Post“, den älteren Leuten als „Jochmannschmiede“ bekannt, genannt nach einem früheren Besitzer der zugleich Schmied war. Hinter dem Rathaus wohnt der Klempnermeister Schaarschmidt. In dessen Laden befand sich früher auch ein Lokal mit Bierausschank.

An der nächsten Biegung und Bachüberschreitung zur linken liegt Nitzschens Gut, an dem man noch leicht die frühere „Nitzschenmühle“, eine Mahl- und Schneidemühle erkennen kann. Von dem hinter dem Gute aufsteigenden Wege nach Grüna sieht man noch den Verlauf des alten Mühlgrabens.

Gleich nach dem Delikatessgeschäft von Emil Schmalfuß zweigt rechts die alte „Waldenburger Straße“ ab, die einst hinter der Kirche zwischen den Feldern nach Meinsdorf weiterführte.

Nun richtet sich der Blick auf das 1925/26 erbaute schöne Rathaus.

Das übernächste Grundstück rechter Hand, die Sprangersche Bäckerei, lässt heute schwerlich eine weitere Mühle, ebenfalls eine Schneide- und Mahlmühle, die „Oehmemühle“ erkennen. (Im Jahre 1901 verunglückte der Ehemann der Frau Bertha Köhler, derselben Frau, deren töchterliche Familie bei dem Autounglück am 2. Weihnachtsfeiertag v. J. überfahren wurde, beim Riemenauflegen in der Schneidemühle.) Demnach ist die Oehmemühle die letzte, die in Betrieb war. Der Schuppen auf der rechten Seite, wo Schieferdecker Ackermann seine Schiefer liegen hat, war die Schneidemühle. Es ist nur der obere Dachteil abgenommen worden.

Von der rechten Höhe schaut die 1912 erbaute, bereits schon vierte Schule Pleißas herab. In 10 Klassenzimmern werden gegenwärtig 412 Kinder unterrichtet.

Daneben erhebt sich die alte Kirche, die 1740 geweiht wurde. Sie ist das dritte Gotteshaus, das hier auf dieser Stätte steht. Die beiden früheren Kirchen sind 1513 und 1731 durch Feuer zerstört worden. Schon seit 600 Jahren sind die Bewohner des Ortes auf diese Höhe heraufgestiegen, um ihren Gottesdienst zu halten. Die Kirche zeichnet sich durch eine gute Orgel aus. Im April 1923 wurden drei neue Glocken aufgezogen und im folgenden Mai weihte man das Krieger-Ehrenmal hinter der Kirche an der Staatsstraße.

Unterhalb der Kirche steht die alte Kirchschule, in der sich heute die Kantorwohnung befindet. Das war bereits die zweite Ortsschule. Unter Bürgermeister Berthold, dem die Klausmühle gehörte, wurde die erste Schule niedergerissen und diese erbaut.

Bis vor kurzem lag unterhalb der alten Kirchschule die Ruine der zu Kriegsausbruch abgebrannten Brauerei, die schon einige Jahre vor dem Krieg stillgelegt worden war.
Zu dieser gehörte wieder eine Mahlmühle, die „Lehngerichts- oder Richtermühle“ mit Bäckerei. Schon 1842 ist das Lehnsgericht, zudem früher auch das Rüdiger‘sche Gut gehörte, unter Posthalter Stengel als Besitzer teilweise abgebrannt.
Das Lehngericht war früher der Mittelpunkt Pleißas in vielfacher Bedeutung. In dem noch bis 1932 stehenden Wohngebäude mit seinen Bogengewölben wurden in alter Zeit die Gemeinde- und die Gerichtssitzungen abgehalten.
Über dem gegenüberliegenden, noch bis in die letzte Zeit stehenden Schuppen lag ein Saal, in dem sich einst die Jugend am Tanz vergnügte. Die Schänkberechtigung lag erst auf dem „Kellerhaus“, einem kleinen Gebäude, das sich an der Stelle der heutigen Ratsstube vom „Gasthaus zum Goldenen Stern“ befand. Die Spezialität der Pleißaer Brauerei war ihr sehr gutes einfaches Bier. Dieses wurde in der letzten Brauzeit auch in dem Wohngebäude mit den Bogengewölben geschenkt. Der letzte Lehnrichter ließ die Brandruine bis zu seinem Tode 1931 liegen. Die Erben errichteten schließlich von der Brandkasse das neue Doppelwohnhaus.

Gegenüber diesem Neubau hat die Gemeinde vor einigen Jahren ein neues Spritzenhaus mit Unterkunft für die Sanitätskolonne gebaut.

Seit 1879 ist der „Stern“ im Besitz der Familie Böttger; heute gehört er deren Erben. 1883 wurde der Saal gebaut. Jetzt ist der Stern an den vielfältig geschickten Herrn Rudolf Kaiser verpachtet.

Am „Stern“ steigt ein Weg aufwärts zum Forstgut. Hier befand sich früher eine Oberförsterei, die noch vor 1870 nach Grüna verlegt wurde. In dem Garten des Forsthauses stand bis 1932 ein sehr alter, südländischer Baum mit mächtiger Krone: eine Edelkastanie mit essbaren Früchten. Der strenge Winter 1928/29 hat auch diesen markanten Zeugen alter Zeiten gefällt.

An Scheibe‘s „Gasthaus zum Pleißatal“ und Vockrodts Färberei vorüber gelangen wir bei der Wegbiegung nach Wüstenbrand an das „Gasthaus zum weißen Roß“, das älteste Gasthaus des Ortes, der Sitz der priv. Schützengesellschaft. Dieser Gasthof, der dreimal abbrannte, war früher eine Mahlmühle (noch früher sogar Spinnerei).
Zu ihm gehörte noch ein Gut und eine Bäckerei. Nach dem letzten Brande besaß das „Roß“ selbst eine eigene Lichtanlage.

In der gegenüberliegenden Spindlerbäckerei war früher ein Lokal mit Bierausschank, doch ging auch hier der Schnapsverkauf in ½ Litergläsern besser. Ebenso befand sich in dem Kirsch‘schen Grundstück ein Bierausschank.

An der Straße nach Meinsdorf lag früher oberhalb des Schützteiches in dem etwas zurückliegenden Hause (zweimal abgebrannt) die „Rauhmühle“. Erst später ist ihr dieser Name zuteil geworden, weil der nächste Besitzer, namens Fritz Rauh, eine Tuch-Rauherei darin eingerichtet hatte.

Wo die Straße nach Meinsdorf rechts abbiegt, liegt die „Tannmühle“, ein nettes Restaurant mit Garten, schon zu Meinsdorf gehörend. Die „Tannmühle“ war früher eine Mahlmühle. Sie ist abgebrannt und nicht wieder errichtet worden.

Sehen wir nun die Meinsdorfer Straße wieder zurück bis zum „Roß“ und dann die Hohensteiner Straße nach Limbach zu. Nachdem wir Kirche und Schule hinter uns haben, lädt uns links, von hohen Kastanien überragt, das „Schützenhaus“ zur Rast ein, früher bekannt als Quingers Gasthaus. In den 90er Jahren verkauften Onkel und Tante Quinger, wie sie allgemein genannt wurden, ihr Restaurant.
Der nächste Besitzer, Hermann Weiß, gründete ein Kolonialwarengeschäft (kleine Stube links neben dem Eingang). Der jetzige Inhaber, der unterhaltsame Herr Ernst Steinbach, baute 1929 den Saal an. Das „Schützenhaus“ ist der Sitz der unteren Schützengesellschaft.

Am „Cafe Richter“ vorüber gelangen wir in wenigen Minuten nach Limbach zurück mit dem angenehmen Eindruck, eine an alten Erinnerungen reiche, besonders schöne, etwa einstündige Wanderung durch einen recht sympathischen Ort hinter uns zu haben.“

Originaltext aus 1933

 

Geschichtliches von Kreuzeiche - Bau der Burgstädter Straße

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde es in der ausgedehnten Waldgegend von Kreuzeiche lebendiger. Der oben erwähnte lichte Fleck, der zur Flur Mittelfrohna gehörte, wurde besiedelt. 6 Häuser an der alten Burgstädter Straße entstanden in einem Jahr. Es war das Jahr 1852. Die Wirkerei blühte. Dahinten gab’s billiges Bauland. Obendrein an einer Straße, die allem Ermessen noch eine lebendige Zukunft hatte! Dass man einmal rechts „weggesetzt“ liegen sollte und diese Straße nicht als Landstraße ausgebaut würde, wer sollte sowas ahnen? Hätte es der älteste der fünf strammen Söhne des Johann Samuel Römer, der Johann Rinaldini, gewußt, er hätte die unter den Häusern befindliche Schenke mit Kegelschub nicht erst gekauft. Es war diese das Haus mit dem hohen Erker. Die vier anderen Söhne des Johann Samuel Römer, des „Wilden Mannes“, waren die vielen von uns noch gut bekannten, Louis, Schwerin, Moritz und Julius Römer, die alle in hohen Alter gestorben sind, während der älteste, der Vater unseres Tischlermeisters Max Römer, sehr früh , im Jahre 1866, vom Tote ereilt wurde. Ein Jahr darauf sein Vater.

Aber der Bau der neuen Straße erhielt eine Ausführung wie sie die kühnsten Denker und Luftschlösserbauer nicht für möglich gehalten hatten. Der staatliche Straßenbaumeister legte die neue Straße nicht um den Dreibirkenteich (bei Simons Grundstück, Bahnhofstraße, gelegen) herum, um den der alte Weg sich in einen großen Bogen schlängelte, er benutzte weiterhin nicht den Damm des Neuteiches, er scherte sich auch nichts um die Römerische Schenke mit ihren Nachbarhäusern, auch nichts um die Schenke „Zum Wind“ am Fuße des Elzingberges, die ihre Front nach dem alten Weg hatte. (der „Wind“ kehrt der heutigen Straße die Hinterseite zu, die seinerzeit aufs Feld sah), sondern er baute seine Straße zum Staunen aller Zeitgenossen, zu unser aller Freude und zum Segen für den heutigen Verkehr  schnurgerade durch den Neuteich und den Elzingteich, während der Dreibirkenteich ganz verschwand.

Kurz entschlossen errichtete Römer im Jahr 1865 an der neuen Straße einen großen Gasthof mit gutsartigen Gehöft, ließ die Schenke an der nunmehr verlassenen Straße „sitzen“ und nahm seine Schankerlaubnis, zu der sich jetzt die Tanzberechtigung gesellte, mit herüber in seinen neuerrichteten Gasthof „Stadt Berlin“. Heute der Gasthof Kreuzeiche. Er diente in den letzten Jahrzenten des vorigen Jahrhunderts, von 1881 bis um die Jahrhundertwende dem Fabrikanten Hermann Brunner auch einmal vorrübergehend zu Fabrikationszwecken.

Bei Beginn des Straßenbaus, 1863, ließ bereits Johann David Lindner aus Limbach die Wirtschaftsgebäude des Gutes „Kreuzeiche“ erstehen, „nachdem er vorher das Grundstück gekauft und urbar gemacht hatte. Vorher war es Waldbestand, welcher bis über den Neuteich nach Limbach herein reichte“. So berichtet Johann August Geisler. Dieser Johann David Lindner war hier Nadelfabrikant, weshalb er heute noch unter den Namen „Nadellindner“ bekannt ist. Er ist derjenige, nach dem der Johannisplatz genannt worden ist, da er zur Erschließung desselben durch Erbauung der Häuser Nr. 1 (Leppert) und Nr. 2 (seinerzeit zweistöckig) wesentlich beigetragen hat.

Originaltext aus Limbacher Heimat-Studien

Eine Sammlung heimatlicher Aufsätze aus dem Limbach Tageblatt 1933

geschrieben von Paul Fritzsching

 

Michael Nestripke

Förderverein Esche Museum e.V.

Der alte Burgstädter Weg bei Dreibirkenteich und beim Neuteich.

Aquarell von Robert Winkler (1884 bis 1939)

Die Eisenbahn nach Limbach und Oberfrohna

1869
Chemnitz - Leipzig über Burgstädt und an Limbach vorbei
Viel Glück hatte Limbach mit seiner Eisenbahn nicht. Obwohl die Stadt Limbach doppelt so viele Einwohner hatte, die Industrie stärker ausgebildet war, dazu die Strecke über Burgstädt topographisch schwieriger und dadurch natürlich auch teurer war, wurde an Limbach vorbei gebaut und der Strecke über Burgstädt durch die Dresdner Regierung der Vorrang gegeben. Dass die Entscheidung zu Gunsten von Burgstädt fiel, war hauptsächlich der Fürsprache des Burgstädter Abgeordneten Hahn zu verdanken; die Limbacher Landtagsabgeordneten Ernst Esche und Moritz Jungnickel hatten vergeblich versucht, ihren Einfluss geltend zu machen. Wahrscheinlich hatte Limbach doch zu wenig auf Lobby-Arbeit gesetzt, die ja zu Zeiten der Helena Dorothea von Schönberg bestens funktioniert hatte. Für die Limbacher war diese Entscheidung eine totale Niederlage, die Eisenbahn fuhr an Limbach vorbei. Auch aufgrund dieser Entscheidung verlegte der Limbacher Unternehmer Theodor Esche 1870 die Strumpffirma Moritz Samuel Esche nach Chemnitz, er war auf gute Verkehrsanbindung angewiesen. Trotz verschiedener Versuche des Gemeinderates, ihn zum Bleiben zu bewegen, ließ er eine neue Firma in Chemnitz errichten. Für Limbach ein weiterer Misserfolg, schließlich verlor die Stadt damit 500 Arbeitsplätze.

1872
Limbach - Wittgensdorf
Am 8. April wurde die Sackbahn von Wittgensdorf oberer Bahnhof über Hartmannsdorf nach Limbach in Betrieb genommen. Somit konnte wenigstens die Hauptbahn Chemnitz - Leipzig erreicht werden. Limbach gab sich mit dieser Variante zufrieden, und die Bevölkerung feierte an diesem Tag ausgelassen und begeistert. Der Anschluss an die „große Welt“ war, wenn auch mit Umwegen, hergestellt. So ganz glücklich waren aber nicht alle der Anwesenden, und so wurde während des Festessens das Tafellied der „Säckelbahn“ gesungen.

Limbach versuchte, zwischen 1890 und 1895 weitere Verkehrsverbesserungen zu erreichen. So war eine elektrische Bahn nach Waldenburg geplant, die die Anliegergemeinden auch selbst finanzieren wollten. Die Strecke, die über Rußdorf, Falken, Langenchursdorf, Callenberg, Grumbach, Oberwinkel verlaufen sollte, wurde nie gebaut. Allerdings muss man dazu heute feststellen, dass die Dresdener Regierung angesichts verschiedener Petitionen - andere Strecken­ver­läufe waren ebenfalls eingereicht worden - ablehnen musste. In der Dresdner Regierung soll man gesagt haben: „Die sollen sich erst einmal einig werden“.

1897
Limbach – Wüstenbrand
Erfolg hatten die Limbacher mit der Anbindung nach Wüstenbrand. Die Strecke verlief von der westlichen Seite des Bahnhofs Limbach über Kändler, Röhrsdorf, Rabenstein, Grüna nach Wüstenbrand. In Rabenstein musste das Tal mit der Burg durch eine große - 23 m hohe und 150 m lange - Stahlbrücke, die auch heute noch existiert, überquert werden. Eine meisterhafte und ästhetisch schöne Ingenieurleistung. Damit war man direkt an die Kohlenbahn, die von Wüstenbrand nach Lugau - Oelsnitz führte, angebunden - ein wichtiger Anschluss in Anbetracht der Kohle fressenden Dampfmaschinen in der heimischen Textilindustrie. Die Strecke wurde am 1. Dezember 1897 eröffnet und am 30. November mit vielen Gästen eingeweiht. Allerdings muss es Schwierigkeiten mit dem Fotografen gegeben haben. Er hatte vor lauter Aufregung seine Apparate in Wüstenbrand stehen lassen. Schade, dadurch fehlen heute Bilder von der Einweihung.

Die Züge fuhren fünfmal am Tag, einige auch bis Hohenstein-Ernstthal. 1950 wurde die Strecke stillgelegt.

1899
Weitere Bemühungen für einen Anschluss nach Leipzig
Mehr als 40 Jahre mussten die vielen Transporte der Oberfrohnaer Industrie mit Pferdefuhrwerken quer durch die Stadt zum und vom Limbacher Bahnhof transportiert werden. In dieser Zeit waren viele Petitionen an die Dresdner Regierung gegangen, die wieder verschiedene Streckenführungen vorschlugen, teilweise auch an Oberfrohna vorbei. Besonders der Kaufmann Rittberger, der in der Karlstraße eine Fabrik besaß, machte sich für die Strecke nach Waldenburg stark, aber auch Oberfrohna, dass die Strecke bis nach Penig über Niederfrohna, Mühlau, Tauscha gebaut haben wollte. Auch da wäre ein Anschluss nach Leipzig möglich gewesen. 1908 wurde diese Strecke vom Landtag in Dresden empfohlen. Die Strecke war tatsächlich so geplant, dass eine Fortführung über Oberfrohna nach Penig möglich gewesen wäre. Besonders der Oberfrohnaer Bürgermeister Willy Böhme war hierbei aktiv und ließ die Planungen nicht ruhen. Er hatte auch das Gelände für den Bahnbau aufkaufen und der Eisenbahnverwaltung kostenlos zur Verfügung stellen müssen.

Endlich wurde die Strecke von Limbach nach Oberfrohna am 30. Juni 1913 mit dem ersten Zug, der 10:45 Uhr mit zwei geschmückten Lokomotiven einfuhr, eingeweiht. Der Viadukt über das Limbachtal war bereits 1912 in Stampfbetonbauweise fertig gestellt worden. An diesem 13. regnete es in Strömen, aber die Bevölkerung war auf den Beinen und freute sich, dass Oberfrohna endlich den Anschluss erhalten hatte. Im Hotel Rautenkranz wurde die Festveranstaltung abgehalten.

Aber auch hier war man natürlich nicht ganz zufrieden, denn die Strecke endete ja erst einmal in Oberfrohna, und man hatte wieder eine „Säckelbahn“. So war der Sieg eben doch nur ein halber Erfolg.

Der Erste Weltkrieg änderte alle Pläne. Es war kein Geld mehr vorhanden, und der aufkommende Kraftwagenverkehr machte die Weiterführung nach Penig überflüssig. Und so blieb die Strecke eine Stumpfbahn, mit allen Nachteilen.

Mit der Wende, als die Textilfabrikation wegbrach, war das Schicksal der Bahn eigentlich schon besiegelt. So wurde erst der Güterverkehr eingestellt. Die Personenzüge, am Schluss mit Dieseltriebwagen betrieben, wurden nicht mehr so stark frequentiert, der Fahrplan wurde ausgedünnt. Die Bahnanlagen wurden nicht mehr gepflegt und damit die Attraktivität der Bahn noch weiter reduziert.

1999
Einstellung des Betriebes
Zum Fahrplanwechsel wurde Oberfrohna abgehängt, der Schienenverkehr in Limbach zum 31. Mai 2000 nach 130 Jahren ein­ge­stellt. Die Strecke wurde nicht entwidmet; allerdings sind die Gleise durch den Bau der A72 nach Leipzig unterbrochen. So ist die Große Kreisstadt Limbach-Oberfrohna nun die einzige größere Stadt im Landkreis, die nicht an die Schiene angebunden ist.

Wolfgang Ziemert (t)

Quelle: Dr. Hermann Schnurrbusch: „Streiflichter aus der Heimatgeschichte“ in der Reihe „Unsere Heimatgeschichte“

Der Abdruck erfolgte anlässlich des Jubiläums „150 Jahre Eisenbahnstrecke Limbach-Wittgensdorf“ mit freundlicher Genehmigung des Fördervereins Esche-Museum. Auf dessen Website finden sich diese und weitere Berichte zur Industrie- und Heimatgeschichte. Eine sehenswerte Ausstellung mit den Schätzen des Verfassers kann im Esche-Museum besichtigt werden.

Kaum wiederzuerkennen: Das Viadukt an der Kellerwiese mit Dampflokbetrieb. Dort, wo damals der Fotograf stand, befindet sich heute das LIMBOmar beziehungsweise dessen Parkplatz. Die heutige Peniger Straße hat den Anschein eines Feldwegs und die Fabrik mit rauchendem Schornstein im Hintergrund ist heute einem Einkaufsmarkt gewichen. (Repro: Stadtarchiv)

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 1. September 2022 -

Das genaue Datum seines  Geburtstages  ist in keinem Dokument festgehalten. Im 17. Jh. war es den Familien wichtiger, den Tag der Taufe zu beurkunden. Für Johann Esche war das der 03.05.1682. Die Aufnahme eines  Neugeborenen in die christliche Gemeinschaft erfolgte damals  innerhalb der  ersten drei Tage nach der Geburt. Demnach dürfen wir den 1. oder 2. Mai als Geburtstag annehmen und also zu recht jetzt vom 340. Geburtstag Johann Esches sprechen.

Bereits 1703, mit 21 Jahren, ist Johann Esche als erster Strumpfwirker in Limbach nach­gewiesen. Sein Wirken und der Nachbau eines seidengängigen Wirkstuhls haben sich jedoch anders zugetragen als es die vielzitierte Legende schildert. Wobei die wahre Geschichte nicht weniger spannend ist. [1]

Schon früh erwarb der Sohn eines Schwarzfärbers in der Färberei seines Vaters  Kenntnisse  zu  textilen Techniken und Erzeugnissen. Zwischen 1701 und 1703 ist außerdem seine Tätigkeit als „Formenstecher“ (Herstellung von Textildruck-Werkzeugen) dokumentiert, bis er dann ab 1703 in den Kirchenbüchern als Strumpfwirker benannt wird.

Er hatte demnach gründliche Kenntnisse über einen Handkulierstuhl, hat offenbar auch an einem solchen wollene Strümpfe gewirkt, als er in Dresden  den wohl einzigen damals in Sachsen vorhandenen seidengängigen Wirkstuhl bei einem aus Frankreich stammenden Hersteller von seidenen Strümpfen gesehen hat. Tatsächlich hat er einen solchen Stuhl nachgebaut. Dazu bedurfte es vieler Jahre intensiver Arbeit. Es ging ja nicht nur um den Nachbau eines Wirkstuhls schlechthin, schon das ist kompliziert genug bei einem Gerät, das aus über 2500 ineinander greifenden Teilen besteht. Bei dem Werk, das Johann Esche sich vorgenommen und erfolgreich beendet hat, ging es um einen Wirkstuhl, dessen hohe Teilungsfeinheit, d.h. der Abstand von Nadeln und Platinen zueinander, die Verarbeitung von Fäden in der Feinheit eines Haares ermöglicht.

Bis 1730 wird Johann Esche in den Kirchenbüchern als Strumpfwirker bezeichnet, ebenso wie die außer ihm in Limbach ansässigen Wirker. Um 1727/1731 finden wir die bei ihm zugefügte  Berufsbezeichnung Stuhlmacher. Demnach ist ihm der Nachbau eines seidengängigen Wirkstuhls um diese Zeit gelungen, denn ab 1732 wird er in den Kirchenbüchern auch als Seidenwirker bezeichnet. Die Zahl der in Limbach tätigen Wirker betrug damals nur sieben, stieg aber nach 1732 dank der zielgerichteten Förderung des  Ritterguts­besitzers Antonius III. rasch an.

Der frühe Versuch einer Innungsgründung (1737/1739) scheiterte zwar, die Zusammenarbeit der Wirker, Verbesserungen des Wirkstuhls sowie die Erschließung von Handelswegen fand unter der „Direction“ des Johann Esche statt. Er legte als erster Strumpfwirker, Wirkstuhlbauer, Handelsmann im Strumpfvertrieb und Fabrikant (Hersteller in Meister­betriebs-Größe) den Grundstein für das Limbacher Wirkereigewerbe und war Stammvater einer engagierten und darum erfolgreichen Wirker- und Kaufmannsdynastie.

Irmgard Eberth, Förderverein Esche-Museum e.V.

[1] Die hier dargelegten Fakten folgen den Ausarbeitungen von Dietrich Esche, Jürgen Lohr + u.a. , Die Esche-Wirker publiziert in www.förderverein-esche-museum.de

Foto: D. Träupmann

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 12. Mai 2022 -


Nachdem das 1000-jährige Reich bereits nach zwölf Jahren seinem Ende entgegen ging, wurde auch Bräunsdorf in diese Schlussphase mit einbezogen. Im Großen und Ganzen blieb der Ort von kriegerischen Handlungen verschont. Allerdings wurden auch alle wehrfähigen Männer eingezogen, von denen 116 nicht wieder kommen konnten und in der Fremde ihr Grab finden mussten. Für diese gefallenen Bräunsdorfer haben wir auf dem Friedhof einen Gedenkstein neben den Gedenksteinen der gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges errichten lassen. Nach dem der Zweiten Weltkrieg ausbrach, kamen auch Kriegsgefangene nach Bräunsdorf und mussten hier arbeiten. In der Regel wurden die Gefangenen im Ort fair behandelt, so dass z.B. französische Kriegsgefangene auch nach dem Krieg noch Kontakte zu Bräunsdorfern unterhielten. Ich habe mich in meiner Amtszeit mit mehreren Bürgern über die Ereignisse zum Kriegsende in Bräunsdorf ausgetauscht und kann hier einige Geschehnisse wiedergeben. Interessant war die Tatsache, dass die Amerikaner über keine exakten Landkarten verfügten, denn unser Bräunsdorf war da gar nicht aufgeführt. So kam es, dass die Amerikaner von Waldenburg und über Wolkenburg-Kaufungen nach Limbach vordrangen und Bräunsdorf in der Mitte verfehlten. Aber sie kamen dann doch noch in unseren Ort und die Kinder staunten, als sie erstmalig farbige Soldaten erblickten und sogar Schokolade bekamen. So freundlich waren einige Tiefflieger nicht, welche auch über unseren Ort flogen und auf alles schossen, was sich bewegte. Man fragt sich, was sich wohl in den Köpfen der Piloten abspielte, welche auf wehrlose Zivilisten und Kinder zielten. Bräunsdorf gehörte dann bis zum Sommer zur Kommandantur in Waldenburg. In Limbach gab es auch eine Kommandantur und die Soldaten kamen ebenfalls nach Bräunsdorf und wollten Frischewaren von den Landwirten. Allerdings hatten die Amerikaner festgelegt, dass die Soldaten nur in dem jeweiligen Kommandantur-Bereich Waren eintreiben konnten, so dass sie in Bräunsdorf leer ausgingen. Ein Glücksumstand war auch, dass die Geschützstellung im Gemeinedewald keine geeignete Munition hatte und demzufolge keinen Schuss abgeben konnte, denn dann hätten die Amerikaner kräftig gegengehalten und unser Oberdorf sicherlich in Schutt und Asche gelegt. Insgesamt waren unsere Bürger froh, dass nun der furchtbare Krieg zu Ende war und man seinem schwierigen Tagewerk nachgehen konnte.

Hartmut Reinsberg, Ortsvorsteher a.D.

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 14. April 2022 -


Am 21. Januar hätte Georg Baumgarten seinen 185. Geburtstag gefeiert. Auf Anregung des Stadtarchivs hat die „Stadtspiegel“-Redaktion den ausgesprochenen Luftschiff-Kenner Hartmut Reinsberg um einen Artikel zu diesem außergewöhnlichen Menschen gebeten. Vielen Dank dafür.

Georg Baumgarten der fliegende Oberförster

Die meisten Bürger gehen ja davon aus, dass die Luftschifffahrt vom bekannten Graf Zeppelin begründet wurde. Allerdings hatte der am 21. Januar 1837 in Johanngeorgenstadt geborene Georg Baumgarten bereits ab 1873 mehrere Luftschiffmodelle gebaut welche eine Flughöhe von zwei Meter erreichten. Er experimentierte weiter und bis 1882 erfolgten insgesamt zwölf Patentanmeldungen über  das lenkbare Flügelluftschiff. 1879 erfolgte der Aufstieg des ersten bemannten Luftschiffes mit dem Beweis des Antriebes und der Lenkbarkeit. Er hatte damals mehrere Unterstützer aus der Region, welche Baumgarten umfangreich finanziell unterstützten. Baumgarten bekam damals Probleme mit seiner vorgesetzten Forstbehörde und musste seinen Wohnsitz im Forsthaus Pleißa verlassen und verzog in eine neue Dienstwohnung  nach Grüna. Da er aber von seiner Forschung am Bau von Luftschiffen nicht abließ wurde er seines Amtes als Oberförster enthoben und musste seine Dienstwohnung verlassen. Er zog nun mit seiner Familie mit acht Kindern nach Siegmar und arbeitet weiter an seinen Luftschiffprojekten, welche technisch auch mit Unterstützung vom vermögenden Leipziger Buchhändler Dr. Friedrich Herrmann Wölfert weiterentwickelt wurden. Es erfolgten weitere erfolgreiche Luftschiffaufstiege. 1882 erfolgte ein Luftschiffaufstieg in Berlin vor Mitgliedern des Kriegsministeriums und des Generalstabes, wo auch Graf Ferdinand von Zeppelin unter den Zuschauern gewesen sein soll. Leider verdrängte Dr. Wölfert immer mehr Baumgarten an der weiteren Vermarktung des von Baumgarten patentrechtlich geschützten lenkbaren Luftschiffprojektes und es kam es kam zwischen den beiden zum Zerwürfnis.1883 erkrankte Baumgarten und kam nach mehreren Krankenhausaufenthalten in die Landes-Irrenanstalt  nach Colditz, wo er im Alter von nur 47 Jahren am 23. Juni 1884 an Tuberkulose verstarb. In Pleißa hat der frühere Ortsvorsteher Michael Nessmann am ehemaligen Wohnhaus von Baumgarten eine Gedenkstelle mit Bank einrichten lassen und die frühere Gemeinde Grüna hat eine Straße nach dem berühmten Sohn benannt. Nach der Wende wurde im Folklorehof Grüna eine Ausstellung über das Wirken von Baumgarten eingerichtet, welche dann nach einer überarbeiteten Konzeption vom Heimatverein Grüna 2019 in das Erdgeschoß des ehemaligen Rathauses von Grüna überführt wurde.

Hartmut Reinsberg
(Foto: Wikipedia)

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 3. Februar 2022 -


Das Försterhäuschen

Dank des Unternehmungsgeistes von Johann Esche (*1682, †1752), seiner Familie und seiner Gutsherrn Antonius II. (1674-1702) und Antonius III. von Schönberg (1703-1745) florierte in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Wirkerei in Limbach. Die Einwohnerzahl nahm deutlich zu, Limbach wurde zum ersten Strumpfwirkerort in Sachsen. Mit der steigenden Einwohnerzahl wuchs der Mangel an Wohnungen. Deshalb ließ George Anton von Schönberg (1746-1755) Teile von Feldern zweier zum Rittergut zugekauften Bauerngüter (Anke und Baldauf) zur Besiedlung freigeben. Diese Vorhaben für die erste planmäßig angelegte Strumpfwirkersiedlung Sachsens erforderten große Mengen an Baumaterial – Steine, Kalk, Sand, Bauholz, gebrannte und ungebrannte Ziegel – und führten dazu, dass die Gutsherrschaft schon 1747 eine Ziegelei anlegen ließ. Der Grundherr starb 1755 und seine Witwe Helena Dorothea von Schönberg führte das Vorhaben weiter. Mit der Bebauung des Helenenberges war schon 1750 begonnen worden, mit der des Dorotheenberges erst später. Dazu wurden Parzellen vom Grundbesitz des Rittergutes in Erbpacht vergeben. Der Helenenberg wurde in 68 Baustellen zu 1.384 m² (½ Scheffel Dresdner Maß) vergeben, die unteren 34 waren bereits 1785 bebaut, die obere Hälfte später. Auf dem Dorotheenberg wurden 18 Baustellen von je 1 Scheffel Landes (2.767 m²) vermessen und bis um 1790 bebaut. Diese beiden neuen Ortsteile – abgelegen vom eigentlichen Dorf Limbach – wurden noch über Jahrzehnte als besondere Dörfer benannt.

Der Rittergutsverwalter Ludwig Dietrich Frantz schrieb an seinen Gutsherrn George Anton von Schönberg am 26. September 1747, der Ziegelofen sei ausgegraben und am 12. Oktober 1747, die Ziegelscheune sei bald fertig. „Ziegelscheune“ meint die ganze Ziegeleianlage einschließlich Wohnhaus des Ziegelmeisters – das spätere „Försterhäus-chen“. Der Ziegelofen glich einem kurzen Bergstollen. Er wurde „ausgegraben“ und war 10½ Ellen (6,30 m) lang, 3½ Ellen (2 m) hoch und 3 Ellen 1,80 m) weit, die Elle zu 0,60 m gerechnet. Eine umfangreiche, tiefe Lehmgrube reicht von Häusel bis an den Schützenhausweg (etwa Pestalozzistraße) und bis an die Peniger Straße. Der spätere Eigentümer der Grube, Baumeister Sussig, hat sie um 1900 zugeschüttet. Diese Ziegelei war 100 Jahre in Betrieb, 1747 bis 1847, danach machten große Ziegeleien mit leistungsfähigeren Ringöfen (z.B. Ziegelei Siegel) die kleinen Anlagen überflüssig und die „Ziegelscheune“ diente dem Rittergutsförster Schulze, dann dem Förster Micklisch als Wohnung. Aus dieser Zeit stammt die Bezeichnung „Försterhäusel“. Später diente das Haus noch als Wohnung für Rittergutsbedienstete, nach 1883 waren die Besitzer der Baumeister Ludewig-Sussig und später der Klempnermeister Weber, Querstraße 6. 1834 hatte die Limbacher Schützengesellschaft in der Nähe ein Schießhaus erworben. Nachdem die Ziegelei ihren Betrieb eingestellt hatte, diente der Ziegelofen als Keller und erregte noch bei der Neubebauung des Grundstücks mit einem Einfamilienhaus Verwunderung als rätselhafte, überdimensionale Katakombe. Der Ursprung war wohl vergessen.

Rudolf Weber berichtet in seiner Chronik von Limbach-Oberfrohna am 21. Juni 1968:

„Das Försterhäuschen zuletzt im Besitz von Frau Weber, Querstraße 6 (Porzellan-Weber), wird wegen Baufälligkeit abgebrochen. Es ging aus dem Besitz von Frau Weber durch Vererbung an einen Herrn Thomas, wohnhaft in Döbeln, über.“

Die kleine Verbindungsstraße zwischen der Peniger und der Pestalozzistraße heißt heute noch „Am Försterhäuschen“ und erinnert daran, dass dort vor über 150 Jahren der Rittergutsförster wohnte im früheren Haus des Ziegelmeisters der Rittergutsziegelei von 1747.

Dr. Hermann Schnurrbusch

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 6. Januar 2022 -


Ab 1859 bis 1866 begann man im Königreich Sachsen Meilensteine aufzustellen. Eigentümer der Meilensteine sind in Sachsen die jeweiligen Straßenbaulastträger der Wege und Straßen, an denen diese Steine stehen.

Nach 1840 erfolgte die Umstellung in Sachsen auf eine neue Länge der Meile, nämlich von 7,5 km. 1858 begannen auf Anordnung des sächsischen Finanzministeriums die Neuvermessung der Straßen und das Aufstellen neuer Entfernungssteine. Meilensteine und Halbmeilensteine wurden im Verlauf der Straße im dadurch gekennzeichneten Abstand aufgestellt. Beim Abzweig einer Nebenstraße, auf der eine Postroute verlief, von einer Hauptstraße wurde ein Abzweigstein aufgestellt. 

Charakteristisch sind die je nach Art unterschiedliche Eisengusskronen an diesen Meilensteinen. 1875 führte man das metrische System im Deutschen Reich ein. Damit waren die Meilensteine Geschichte. Mit der Umstellung auf das metrische System, wurden die Meilensteine oft umgestaltet. In Sachsen stehen die Königlich-sächsischen Meilensteine als Sachgesamtheit unter Denkmalschutz, was auch originalgetreue Nachbildungen und Reststücke dieser Technischen Denkmale einschließt.

Michael Nestripke
Förderverein Esche Museum

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 30. September 2021 -

Von den Anfängen unserer 150 jährigen sozialdemokratischen Vereinsarbeit im Limbacher Land

Bild 1

Frühe Bestrebungen

Mit ihrer Wirtschaftsförderung schuf Helena Dorothea von Schönberg (1729 - 1799) entscheidende Vorraussetzungen für die Entwicklung unserer Stadt hin zu einem bedeutenden Standort der frühen Textilindustrie. Kaum 30 Jahre später wurden aus der Handwerkerschaft bereits erste arbeitsrechtliche Forderungen laut: ,,Am Abend des 18. September (1830), einem Samstag, erhielt Gerichtsdirektor Christian Friedrich Schink durch den Gerichtsschöppen Künzel die Nachricht, dass im hiesigen Gasthof unruhige Bewegungen entstanden seien, die den herkömmlichen herrschaftlichen Stuhlzins zum Gegenstand hätten. Der größte teil der anwesenden Strumpfwirker bestehe auf einer gänlichen Abschaffung des Stuhlzinses", Aufhebung zu leistender Frontage und Abgaben für die Spinnerei. 2) Ein Gesuch Limbacher Strumpfwirker auf Erlass des Stuhlzinses wurde vom Sächsischen König bereits zwei Jahre zuvor abgelehnt. Fabrikdörfer rund um Chemnitz seien ,,beinahe durch und durch republicanisiert."3)

Als frühe Demokratiebewegung organisierten sich Vaterlandsvereine. Im Jahr 1848 zählte bereits allein deren Limbacher Ortsgruppen 250 Mitglieder.4)

Recht haben und Recht bekommen - das allgemeine, gleiche und direkte Männerwahlrecht

Nach der Wahl zum 1. Deutschen Reichstag im Jahr 1871 berichtete der Volksstaat aus Leipzig von ,,Wahlumtrieben" in Limbach, die den sozialdemokratischen Kandidaten Spier klar benachteiligten:

Bild 2
Limbach, 20. März, Einige W a h l u m t r i e b e nachträglich: In Mittelfrohna hat der Rittergutsbesitzer v. Wiluki jun. im Wahllokal, am Wahltisch, seinen Arbeitern gedruckte Stimmzettel für Dr. Biedermann gegeben. Namhaft zu machen ist hierfür Gottlob Heitmann, Pastor. Dabei hat besagter Wiluki jedem ein T r ö p f c h e n   B i e r  verabreicht. In Oberfrohna und Kändler sind nicht, wie bei der ersten Wahl, unbeschriebene Zettel ausgereicht worden, sondern blos gedruckte für Dr. Biedermann, in Kändler sogar durch den Gemeindediener. In Wüstenbrand hat man nach der Mittagsstunde, nachdem es den Anschein hatte, daß viele Stimmen für Spier eingingen, die Wähler des Herrn Biedermann durch die Polizei holen lassen!
(Der Volksstaat, Leipzig v. 19.04.1871)

Die Sozialdemokratische Bewegung im Limbacher Land

Am 24. Mai 1863 gründete sich in Leipzig der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV), direkt von hier aus wurde der Grundstock zu einer Sozialdemokratischen Bewegung in Limbach gelegt.5) So kann davon ausgegangen werden, dass bereits 1863/64 hier vor Ort ein ADAV-Ortsverein bestand. Im Jahr 1869 berichtete das Limbacher Tageblatt über hiesige, gut besuchte Arbeiterversammlungen in nahezu 14 tägigen Rhythmus.

Als August Bebel mit seinem Arbeiter Commité an Einfluss gewann, zeichnete sich ein genereller Richtungsstreit zwischen dem ADAV und der in Eisenach neu gegründeten sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) ab. Letzlich überzeugte der ,,Arbeiterkaiser" August Bebel die Limbacher Arbeiterschaft und im hiesigen Wochenblatt war die Ankündigung einer öffentlichen Versammlung zu lesen, Tagesordnung: ,,Die Organisation, Grundsätze und Bestrebungen der Deutschen Arbeiterpartei." Horst Strohbach datierte die Gründung des Limbacher Ortsvereins der SDAP auf den 9. September 1871, vor nunmehr 150 Jahren.

Das große Arbeiterfest - Man verstand zu feiern

Bereits im zweiten Jahr seines Bestehens richtete der Ortsverein zur Sächsischen Landtagswahl 1873 ein großes Arbeiterfest aus. ,,Es wurden Parteigenossen, sowie alle Arbeiter von Nah und Fern zu recht zahlreicher Betheiligung eingeladen."

Bild 3
Limbach.   Am 29. Juni hielten wir hier ein allgemeines Arbeiterfest ab, welches, vom herrlichen Wetter begünstigt, so manchem Widersacher bewiesen hat, daß der Arbeiter es versteht, sich auf derartigen Festen zu bewegen. Schon vom frühen Morgen an fanden sich schaarenweise die fremden Gäste ein. Der Mittag brachte uns gegen 400 Chemnitzer Parteigenossen, an welche sich die Rabensteiner angeschlossen hatten. In Burgstädt hatten sich anderen benachbarten Orte angeschlossen; den tiefsten Eindruck aber machte es, als der lange Zug Hohenstein- Ernstthaler, an dem sich Lunzenauer und andere Orte angeschlossen hatten, sich dem Festplatze näherte. Dieser Zug mag manchen der Ausbeuter, welche zugegen waren, mit  Wuth erfüllt haben. Die Festrede Vahlteich´s hat einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Im Uebrigen verlief das Fest , trotz des großen Andranges, in schönster Harmonie. Dieses Fest hat für die nächsten Reichstagswahlen tüchtig vorgearbeitet, und wenn  Muth und Ausdauer nicht verschwinden, dann wird der 15. Wahlkreis einen glänzenden Wahlsieg zu verzeichnen haben.

Mit sozialdemokratischem Gruß:
H. Kühn, Vorsitzender des Festcomité´s
(H. Kühn, Der Volksstaat, Leipzig v. 11.07.1873)

Sozialdemokratischer Blick auf die Vorbereitungen zur Stadtrechtsverleihung Limbachs

Sich nicht abfinden wollend mit derart gravierender sozialer Ungerechtigkeit, schrieb H...n. einen gepfefferten Artikel für den Leipziger Sozialdemokrat:

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L i m b a ch,  im November. Die Spitzen der hiesigen Gemeinde sind in freudiger Erregung, denn – Limbach wird zu Neujahr mit „allerhöchster“ Genehmigung  S t a d t.  Daher gab´s seit einigen Wochen nichts  als bengalisches  Feuer mit   Lamentation – pardon I l l u m i n a t i o n. Uns kann´s Nichts schaden, wir gewinnen nur; unsere Gegner liefern uns dadurch nothgedrungen Waffen in die Hände, die wir gehörig ausnützen werden. Hat da der Gemeinderat  beschlossen, dem Gemeindevorstand Jungnickel (der nicht Jura studiert, folglich nicht Bürgermeister werden kann) lebenslänglich die Hälfte seines bisherigen Gehalts, nämlich 1500 Mark jährlich, zu bewilligen, wenn – man höre! – wenn er in Limbach bleibt. Welche theure Reliquie, welch theures Andenken einer früheren Dorfgemeinde! Wenn ein Arbeiter 18 Jahre oder noch länger bei einem Fabrikpascha gedient hat, so bekommt er nicht nur keinen Ruhegehalt, sondern man schränkt ihn – nicht ein, sondern a u s.  Ein solcher Beschluß, wie obiger, weckt das Rechtsgefühl vieler Indifferenten, denn hier handelt sich´s um´s liebe Geld, und in Geldsachen hört bei sonst gemüthlichen Leuten die Gemüthlichkeit auf                                                      H  . .  n.
(
Sozialdemokrat, Leipzig v. 07.12.1882)

Hätten Sie's gewusst?
Soweit ein kleiner Eindruck, aus der ersten Dekade unserer wechselvollen Ortsvereinsgeschichte.
Mehr dazu und wie es weiterging, findet sich in unserer Jubiläums-Chronik unter www.losozis.de/Geschichte

Iris Raether-Lordiek

Quellen:
1) Foto Privatbesitz
2) Michael Hammer, Volksbewegung und Obrigkeiten. Revolution in Sachsen 1830/31, Weimar u. a. 1997, S. 184
3) Hauptstaatsarchiv Dresden 10736: Ministerium des Innern Nr. 11033, Bl. 147
4) Vaterlandsblätter Beilage zu Nr. 167, 30. 9. 1848, S. 2ff
5) Ernst Heilmann, Geschichte der Arbeiterbewegung in Chemnitz und dem Erzgebirge, Chemnitz 1912, S. 24

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 24. Juni 2021 -

Herr Dr. Schnurrbusch erläuterte bereits im Stadtspiegel viel zur Geschichte des Spielplatzes. Das kann durch einige weitere Angaben mit Blick auf die heute selbst langjährigen Oberfrohnaern nicht mehr dort vorstellbare Wassererkraftnutzung ergänzt werden.

Nicht lange nach Beginn des Spielplatzbaues legten die Bauleute eine aus hiesigem Naturstein, dem Granulit, aufgesetzte längliche Grube frei. Sie befand sich im östlichen Teil schräg von der Straße des Friedens her. Darin sah man unten Richtung Frohnbachstraße eine gewölbte Öffnung, ebenfalls aus solchen Steinplatten. Ein Blick hinein ergab, dass sich noch ein überdecktes Ziegelgewölbe anschloss. In dem Bereich verläuft der Bach abgedeckt neben der Straße. Ohne Zweifel kann die Grube nur die Radstube der ehemaligen Obermühle in Oberfrohna gewesen sein. In einem durch Horst Strohbach nachgezeichneten Ortsplan von vor 1820 sind an der Stelle die Mühlengebäude zu erkennen.

Das  trocken gesetzte, kaum nachgehauene Natursteinmauerwerk dieser aufgefundenen Radstube ist gegenüber dem von anderen, wie das der Wetzelmühle, vom Bearbeitungsaufwand her sehr einfach hergestellt worden. Sie dürfte daher bereits aus der Besiedlungszeit stammen. Eigentlich bedeutet das, man ist auf das älteste noch vorhanden gewesene Bauwerk von Oberfrohna gestoßen.

Fast immer gibt die Urkundenlage vor der Reformation hauptsächlich herrschaftliches Handeln, Erbe, Käufe-Verkäufe oder Streitigkeiten her. Dörfliches Leben in den ersten dreihundert Jahren der Besiedlung unserer Gegend darf man  anhand geschichtlicher Beschreibungen aus anderen Gegenden sicher hier ähnlich annehmen. Kundiges Zusammenführen von Beobachtungen in hiesiger Landschaft wie Flur- und Lage älterer Gebäude sowie Wege kann das ergänzen. Und praktisches Handeln sollte man den Altvorderen immer zutrauen. Stets war es Grundlage für technischen Fortschritt. Das galt auch für das Mühlenwesen.

Wasserräder als Maschinenantrieb verwendete man bereits seit mehr als 2000 Jahren vom Mittelmeerraum bis nach China. Mechanisches Wissen zur Wasserkraftpraxis ging trotz aller Kulturverluste nach der Römerzeit nicht verloren. Wasserkraftnutzung galt seit Jahrhunderten als Regal der Landesherrschaft. Das heißt, über die Zuteilung des Standortes entschied diese. Jährlich war dafür ein Wasserzins zu zahlen. Solcher Verwaltungsakt erforderte gewisse zentrale Lagekenntnis in Verbindung mit Wahrnehmen von Wasserflüssen. Als Rechtsziel galt bereits im Hochmittelalter:

Kein Wassertriebwerk sollte dem anderen das benötigte Wasser abgraben.

Aus schon lange zuvor  üblichen Rechtsgebrauch festigte 1158  als kaiserliches Regal  Friedrich I. (Barbarossa) den  Mühlenbann oder -zwang. Das gestattete grundsätzlich der Gemeindeherrschaft den Bau einer Mühle. Ausschließlich in dieser mussten die zugehörigen Bauern im Ort sowie der Umgebung ihr Getreide mahlen lassen. Sie zahlten in Naturprodukten, die Metze. Verpachtung war zugelassen. Aus  der Verordnung  kann man auf die Bedeutung von Mühlen in den Gemeinwesen bereits damals schließen. Soweit ist es auch begründet anzunehmen, dass es eine solche in Oberfrohna schon vor der dem Ort zugerechneten Ersterwähnung Vrono et Lympach 1356, also etwa 150 Jahre nach der Besiedlung gab, 

Die allgemeine Sicherheitslage einer Ansiedlung der Landkolonisierung im Osten war bis zu den Hussiteneinfällen und dem sächsischen Bruderkrieg Mitte des 15. Jahrhunderts ziemlich instabil. Daher positionierte man eine derartig wichtige Einrichtung wie die Mühle nahe dem meist noch wehrhaft umfriedeten Ort. Geringaufwändige Transportwege bei damals verfügbaren Zugtieren wie Pferd und Rind waren ein weiterer Faktor in der Abwägung dazu. (Chronik Pfarrer Päßler S.18 . Müllerei eingangs des Ortes)

Nebenbei: Zum einen bedeutet das, die Güter weiter ober- oder unterhalb in Oberfrohna kamen erst später als Siedlungszuwachs hinzu. Notwendiges Roden der umgebenden Wälder von Hand war sowieso ein gewaltiger Kraftakt. Nach und nach erfolgte es vom Ort bzw. der Hofstätte weg. Auch blieben abgelegene Flächen in Herrschafts- oder Kommunbesitz. Erst später kauften wirtschaftlich gut stehende Bauern die zu oder erhielten Aussiedler bei Hofneugründung.

Ortsgeschichtlich interessiert könnte man noch  fragen: Wo stand ursprünglich das Gehöft des örtlichen Anführers der Siedlergemeinschaft, dem Kolonisator? Von   der Mühle aus gesehen wäre die leicht erhöhte Lage des jetzigen Schulgartens geeignet. Dort befand sich vor seinem Abriss 1937 das Herrmann Fischer'sche Gut. Umfangreiche Wirtschaftsflächen beidseitig der Rußdorfer Straße gehörten dazu. Vom Hang gegenüber gingen sie bis in den Gemeindewald  zur Flur Bräunsdorf. Deutlich wahrnehmbar ist noch dort ein sogenannter Landgraben mit Wall nach auswärts.

Die Obermühle war 1670, also nach dem Dreißigjährigen Krieg mit massiven Bevölkerungsrückgang und Zerstörungen, dazu der Pest, als Mahl- Öl- und Schneidemühle bezeichnet worden. Sie besaß der Quelle nach nur einen Mahlgang. Die anderen Gewerke dürften bereits im 16. Jahrhundert, vielleicht sogar nicht lange nach ihrer Errichtung dazu gekommen sein. Man brauchte schon jeher nicht nur Mehl, sondern genauso Öl und auch Bretter. Nebenbei kann das noch als Hinweis auf Gewerbe und Handel sowie einfachen Maschinenbau in Oberfrohna zu sehen sein. Das Ausmaß der aufgefundenen Radstube ermöglichte einen Wasserraddurchmesser bis etwa 4,5 m (ungefähr 6 bis 7 Ellen) bei einer Breite von etwa 0,9 m (ca. 1 1/2 Ellen). Je nach Auftreffen des Zulaufs, d.i. Aufschlag, haben sich die Begriffe  oberschlächtig, mittelschlächtig und unterschlächtig eingebürgert.

Die Wasserkraft eines Rades beruht auf dem Füllen der im äußeren Umfang eingebauten Kammern (Zellen). Die bewegen sich durch die dabei sich aufbauende Schwerkraft hinunter.  Wirksam wird nur ein Teil vom Radumfang. Unterhalb der Radachse fällt das Wasser wieder heraus. Günstig ist also zum einen ein grösserer Raddurchmesser.  Zum anderen: Je mehr die Kammern fassen und sich aufgrund von viel Zulauf schnell füllen können, um so kraftvoller ist die Wirkung. Abhängig war die jeweilige technische Lösung also von verfügbarer Wassermenge in Verbindung mit dem Gefälle des Fliessgewässers. Im Fazit bot ein oberschlächtiges Wasserrad gegenüber mittelschlächtigen die beste Energieeffizienz. Entsprechende Erkenntnisse lagen bereits früh vor. Hier im Berg- und Hügelland mit kurzstreckigen Höhenunter-schieden konnte bei nicht zu langer Heranführung ohne weiteres der Zulauf von oben auf das Rad eingerichtet werden.  Wesentlich mehr Wasser lief im Frohnbach nach den weiter unten einmündenden Limbach und Pfarrbach, das Einzugsgebiet vor und in Oberfrohna brachte naturgemäß weniger. Daraus kann man sicher noch auf die gegenüber Nieder- und Mittelfrohna spätere Ansiedlung hier schließen.

Bei damaliger Geländebewertung kamen die Altvorderen auf  eine Stelle zur Wasserentnahme leicht oberhalb der späteren Bergstraße. Aus zuerst nur einen einfachen hölzernen Stau wurde dann im Laufe der Zeit ein in Stein gesetztes Wehr mit Tiefablass. Der Graben zur Obermühle verlief von dort zunächst zwischen Bach und der jetzigen Frohnbachstraße. Die war ehemals wie in den Ortschaften üblich, nur ein das Fließgewässer begleitender Erschließungsweg. Ihr Knick ab der Reinholdstraße talwärts beruht mit auf der geradlinigen Grabenführung weiter in den heutigen Promenadenweg. Klassisch ist zum Höhengewinn anschließender Verlauf entlang am etwas steileren Hang des Bachtales. Der irgendwann später entstandene Weg hinauf zur Anhöhe war dann mit einer Überquerung auszustatten. Ältere im Ort kennen ihn noch als Schulberg, zuvor eben der Mühlberg, jetzt die endende Straße des Friedens. Als günstig für eine  Mühle war ein Standort kurz danach erkannt worden. Der nun wieder hier nahe, aber tiefere Frohnbach bot dem ablaufenden Wasser einen kurzen Weg  zurück. Offen bleibt, ob sich die zwischen Zu- und Ablauf gewählte Höhendifferenz nach dem vorgesehenen Raddurchmesser orientierte oder umgekehrt, dieser sich nach der daraus machbaren richtete. Obergräben legte man sowieso mit geringst-möglichem Gefälle an. Hier war er nur etwa 310 m lang, also mit nicht sonderlich hohem Aufwand anzulegen gewesen. An der Bachentnahme und vor dem Wasserrad gab es jeweils einen Rechen für Treibgut bzw. als Eisfang. Weiter gehörten unmittelbar an der Anlage eine Absperrmöglichkeit, ein sog. hölzernes Schütz sowie ein Notabschlag als Umlauf vor dem Wasserrad dazu. Anfangs dürfte das letzte Grabenstück vom Hang bis auf das Rad nur ein Holzgerinne auf Stützen gewesen sein. Technischen Fortschritt gab es natürlich und vor allem im 18. Jahrhundert beim Mühlenbau. Das bedeutet, dann Ausbau als in Stein gemauerter Hochkanal. Auch winterlichen Frost galt es zu berücksichtigen. Wegen der notwendigen Wasserdichtheit war dabei solide Arbeit erforderlich.

Erkenntnisse zum verfügbaren Zufluss aus einem vorliegenden Einzugsgebiet erfordern natürlich Beobachtungen über mindest ein Jahr. Der im Frohnbach ist also bereits zur Besiedlungszeit als ausreichend für eine Wassermühle eingeschätzt worden.  Zulauf muss entweder als fließende Welle dauerhaft anliegen oder zumindest um einen Mühlenbetrieb während üblicher Arbeitszeiten absichern zu können. Im Harzer Bergbau führte man nach 1715 als Mengenzuordnung das Maß ein Rad Wasser ein. Das waren 37,85 Liter pro Sekunde (l/s).  Zwar nicht so viel aber mindestens die Hälfte wird der hier überlieferte eingängige Mahlbetrieb erfordert haben. Kam das an? Aus dem  Einzugsgebiet des Frohnbachs oberhalb von Oberfrohna liefen zwischen 1965 und 1990 oberhalb der „Aktie“, nachher Wünschmannsche Färberei, im Jahresschnitt etwa 8 bis 10 l/s in das Gemeindegebiet. Niederschlag und Schmelzwasser kamen aber bereits vor Jahrhunderten meist nur bis ins späte Frühjahr reichlich im Fließgewässer an. Danach gingen die Abläufe bis zum Wintereinbruch fast immer zurück. Man brauchte jedoch während der Betriebszeiten der Mühle in Oberfrohna mehr oder konnte nur zulaufabhängig arbeiten. Etwas besser ging es mit vorgelegenen Schutz- (Schütz-) teichen. Solche nutzten die Müller praktischerweise durch Aufsammeln von Wasser, denn nachts, sonn- und feiertags war, teils aus religiösen Hintergrund, Betriebsruhe. Mehrere Mühlen schlossen sich manchmal noch zu Wassergenossenschaften zusammen:

H. Strohbach, Geschichte und Überlieferung des Bauerntums zu Oberfrohna:

Die alte Obermühle, vorm. Handschuhfabrik H. Rätzer: Aber weiteres erzählte    mir erst Herr Bäcker i. R. Gräfe, der noch lebende Sohn des einstigen Obermüllers...:

Der große Teich gehörte zum Gasthof Rautenkranz, dessen Besitzer mein Onkel war. (1864 Gemeindedokument). ...und weil die Mühle ebenfalls im Besitze des Gastwirt war, hatte er das Recht, das Wasser für seine Zwecke zu         verwenden, besonders für Mühlenzwecke. Er leitete das Wasser vom großen           Teich durch den Frohnbach, bei Rebskes Färberei ab, die Promenade entlang   nach der Mühle, in den Schutzteich. Die gesamten Mühlen des Frohnbachtales: also die Obermühle selbst, die Käfersteinmühle, die Nickelmühle, in     Mittelfrohna die Hofmühle, die sogenannte Dörfelmühle, jetzt (1932) die Schneidermühle, die Wetzelmühle, die Niederfrohnaer oder Krittnermühle und schließlich die Holzmühle zahlten dem Obermüller 2 1/2 Taler und erhielten bei Wasserknappheit des Frohnbachs das Wasser aus dem großen Teich oder Schutzteich dafür geliefert. Es wurden „eben dann 1 oder 2 Bretteln gezogen, daß genügend Wasser in die Mühlenbetriebe gelangen konnt“

Dieser große Teich ist der neben dem heutigen Stadtpark auf ehemaliger Flur Rußdorf, vor 1920 aber noch kleiner. Nach Fischmeister Heinz Schimmel benutzte den Begriff Wehrteich für ihn bereits sein Vater Walter.

Im Ausbau der Wünschmannschen Färberei dann war auch die Wassergewinnung einbezogen. Den Frohnbach neben dem Werk erweiterte man zum unteren und oberen Kanal. Dazu wurde das Speichervolumen der drei Teiche darüber erhöht. 

Nebenbei: Nach dem I. Weltkrieg legte Walter Schimmel zu den schon vorhandenen beiden Nötzoldschen Teichen nach und nach bis 1939 die zunächst anderen 10 der nach ihm benannten Fischzuchtanlage im Frohnbachtal weiter oben an.

Dagegen existierte der heutige Große Teich bereits seit oder sogar vor dem 16. Jahrhundert. Etliche Argumente legen nah, dass er ebenfalls als Energiespeicher, aber für die Gemeinde Limbach dienen sollte oder gedient hatte.

Obermühle sowie weiter unten die Käfersteinmühle besaßen  unmittelbar neben ihren Betrieben zusätzlich einen Schutzteich auf der für den Aufschlag notwendigen Höhe. Man kann sagen, er diente den Müllern auch als Anlaufhilfe für ihr Wasserrad.  Der Obermühlenschutzteich lag auf dem deshalb terrassierten Hang unterhalb der jetzigen Kindertagesstätte Heinrichstraße sozusagen im Nebenschluss. Aber die Mühlenbesitzer dachten seinerzeit bei der Wasserbewirtschaftung wohl zwangsläufig weiter. Zum Mühlengut gehörte Wirtschaftsland vom Frohnbach bis nach Fichtigsthal. Es lag über den heutigen Wohngrundstücken Horst Strohbach-Straße. Der Weg den Berg hinauf, jetzt Teil der Straße des Friedens  und der Viehweg entlang der jetzigen Hainstraße war oberhalb die Begrenzung.

Aus dem Gelände etwa ab heutiger Mittelstraße wurden ablaufende Niederschläge durch Hanggräben gesammelt und Richtung Mühle einem, dieser ebenfalls vorgelegenen, weiteren Teich zugeführt. Sickerwasser aus dem Gelände darüber kam hinzu. Jetzt befinden sich dort die Kleingärten an der Neuen Straße. Ein anschließender Graben führte dann auch in den Schutzteich der Obermühle. Nachweise darüber liegen bereits aus der Zeit nach dem  Dreißigjährigen Krieg vor. Diesen Vorteich  hatte ab 1904 der örtliche Naturheilverein wegen seiner Quellzuläufe nach und nach zum ehemaligen Mietsgartenbad ausgebaut. Das Recht auf Überlaufwasser bestand  auch für die Firma Rätzer nach späterer Betonierung des Schwimmbeckens weiter.

Dr. Schnurrbusch:

Die bereits 1859 gegründete Handschufabrikation von Heinrich Rätzer errichtete anstelle der abgebrannten Obermühle ab 1897 ein Fabrikgebäude. 

Kommunenseitig stand aber Elektroenergie für Antriebe noch nicht zur Verfügung:

G. Schickl - Bräunsdorf:

Der Bau des Gemeindeelektrizitätswerkes Oberfrohna wird im September 1906 begonnen. Die Anlage ist für drei Dynamomaschinen konzipiert.

Deren Antrieb erfolgt über Flachriemen durch eine Sauggasmotorenanlage des Herstellers Gasmotorenfabrik Köln-Ehrenfeld. Das dafür benötigte Gas wird im neben der Maschinenhalle gelegenen Kesselhaus aus Braunkohlenbriketts mittels sogenannter Generatoren erzeugt.

Vorerst kommen zwei Gasmotoren mit 50 (37,4 kW) und 80 PS (60 kW) zur Aufstellung.  Kühlwasser liefert das im gleichen Jahr dorthin verlängerte Wasserrohrnetz. Um Bedarf daraus niedrig zu halten, errichtete man  im Hof einen  hölzernen Kühlturm mit quadratischem Grundriss.

Die Dynamomaschinen erzeugen Drehstrom 3300 V. Anfangs gab es für wenige industrielle Verbraucher transformierten 220 V-Drehstrom und für Haushalte sowie ähnlichen Bedarf nur Gleichstrom mit 110 V. Den gewährleistete ein Quecksilberumformer.

1908/10 baute die Gemeinde Oberfrohna zum Anschluss der Orte Bräunsdorf, Kaufungen, Nieder- und Mittelfrohna/Fichtigsthal sowie Rußdorf ihr Elektrizitätswerk durch die Aufstellung der dritten Sauggasmotorenanlage von 175 PS  (131 kW) weiter aus.

Handschuhfabrikant Rätzer erwarb daher den Standort auf jeden Fall mit wegen der rechtlich gesicherten und anlagenbaulich vorhandenen Wasserkraft. Nach dem nun 345 m langen Obergraben war an der Fabriknordseite, also etwa in Verlängerung des breiten Teils der Heinrichstraße, die Radkammer angeordnet. Ein eisernes Wasserrad von 5,5 m Durchmesser und 0,7 m Schaufelbreite trieb den werkseigenen Stromgenerator und über damals noch übliche Transmissionen für Handschuhfertigung notwendige Maschinen an. Ablaufendes Wasser floss nun zur Optimierung der Fallhöhe tiefer in einer deshalb 100 m langen Röhre zurück zum Frohnbach. Hinter den Gebäuden Nr. 54 bis 58 der jetzigen Frohnbachstraße (Friseur, Vogels Gaststätte und 1995 abgerissene Liebertschmiede) führt der dort noch offen in einen leichten Bogen entlang und  dann abwärts straßenbegleitend verdeckt weiter.

Den  Schutzteich ließ Heinrich Rätzer massiv ausbauen. Nach Plan von 1914 muss er in Form eines längeren Trapezes eine Fläche von etwa 1800 m² besessen haben. Das Zulauf und Entnahme regulierende hölzerne Schütz war 0,95 m breit und 1,2 m hoch.  Unter Ansatz von 0,80 m mittlerer Stauhöhe konnten darin also durchaus  1500 m³ Wasser gespeichert werden. Den Boden hatte man wegen der Ablagerungen reinigungsfreundlich in Gefälle ausgeführt. Das Überlaufwasser des Mietsgartenbades brachte nun eine gesonderte Zementrohrschleuße (frühere Bezeichnung für Betonrohr) 200 mm lichter Weite heran.

Bereits 1865 musste sich der Obermühlenbesitzer beim Brückenbau über den Obergraben am Mühlberg/ Schulberg beteiligen. Die Fa. Rätzer beabsichtigte dann um 1900 auf ihren Grundstücken dort weitere Fabrikationsgebäude mit Wohnungen  direkt in der Flucht des Promenadenweges zu errichten (Str. des Friedens 106 und 108).  Die dafür erforderliche Umverlegung des Grabens erfolgte mittels Betonrohren hangseitig um den Bauplatz, d.h. ein Stück entlang im heute schmalen Teil der Heinrichstraße. Nach dem Wasserleitungsbau der Gemeinde im 2. Halbjahr 1905 sollte die Hauptstraße (jetzt Frohnbachstraße) im Jahr darauf ausgebaut und verbreitert werden. Schon aus Mühlenzeiten war immer wieder erhebliche Mückenplage bei entsprechender Witterung entlang des Obergrabens überliefert. Als Beitrag  zur Verbesserung der Zustände, wohl auch aufgrund gemeindlichen Druckes ersetzte die Firma Rätzer den Oblauf zur Fabrik durch eine Zementrohrschleuse von 700 mm lichter Weite. Für Unterhaltungszwecke ordnete man  Kontrollschächte an. Längs der Frohnbachstraße sowie als Querung der Straße des Friedens wurde sie, da relativ flach liegend, mit dem Kanal- und grundhaften Straßenausbau von 1994/95 entfernt. In einem gesonderten Flurstück entlang der Linden vom Promenadenweg und mit der Bezeichnung Mühlgraben ist diese Leitung noch vorhanden. Aber sie füllen als Folge der Jahre nach der Firmenpleite Ablagerungen fast vollständig aus. 

Zur Stabilität des betrieblichen Energiebedarfs besaß die Firma noch eine kleinere Dampfmaschine. Dampf wurde sowieso für die damals verbreitete Heizungstechnik benötigt. Dafür sowie die bereits damals obligatorischen Waschgelegenheiten für die Beschäftigten benötigte die Fabrik  von Beginn an sauberes Wasser. Das Oberfrohnaer Gemeindewasserwerk gab es noch nicht. Die neu errichtete Firma Rätzer musste eigene Möglichkeiten der Wassergewinnung finden. Mit im Obergraben lag über die Jahrhunderte eine hölzerne Wasserleitung aus einem Brunnen jenseits vom Frohnbachwehr. Die führte zum Röhrständer und Wassertrog der Obermühle. Nachdem diese abgebrannt war, fehlte die Zuständigkeit für deren Unterhaltung. Solche Art von Leitungen benötigen ständige Feuchte, auch außen.

Zumindest das aus mehreren Einzelquellen bestehende Grundwasseraufkommen im Bachtal fand bei Otto Schröder (Schröderstraße) Interesse. Als ausgebildeter Färber legte er dort zuerst eine mehr handwerklich betriebene Textilveredlung an. 1874 stieg er als Mitdirektor in die Aktienfärberei ein. Ab etwa 1905 bis vor dem II. Weltkrieg bestand übrigens an    dem Standort gegenüber der Bergstraße eine Niederlassung der Färberei Rebske, Hauptbetrieb Limbach Weststraße. Auch einen Fischhändler Gränz mit Hältergelegenheit gab es dort wie auch in Limbach in den 1920ern.

Mit Ankauf des Obermühlengrundstückes übernahm Heinrich Rätzer  einen großen Teil der früheren Landwirtschaftsflächen. Dadurch war es ihm möglich, auf diesen für seine Wasserversorgung Quellfassungen anzulegen und in seine Gebäude abzuleiten. Grund- oder Quellwasser gehörte damals zum Grundstückseigentum.

Beide der Schächte sind noch vorhanden, einer an der Neuen Straße aufwärts links und einer an der Industriestraße oberhalb des Färberweges. Höhenseitig genügte deren  Lage, um im oberen Fabrikstockwerk Wasser aus den Hähnen laufen zu lassen. Erst mit Errichtung der Villa Rätzer um 1900 musste für diese über eine sogenannte Hydrophore, d.i. Pumpe und Druckkessel mit Teilluftfüllung, der Wasserdruck erhöht werden. Davon wurden dann auch die Gebäude an der Ecke zum Schulberg, heut Klempnerei Meyer, bis zum Ausbau der Oberfrohnaer Wasserversorgung versorgt.

Weiter unten vor dem Frohnbach war die Färberei Gränz (Färberweg) auch mit im vorherigen Mühlengrundstück  angelegt worden. Verwandtschaft, vielleicht Erbteil, mit dem  Mühlenbesitzer Gränz ( bis1816) könnte der Hintergrund gewesen sein. Diese Färberei besaß oberhalb des heutigen Kindertagesstättenanbaus ebenfalls eine Quellwasserfassung und dazu ein Mitbenutzungsrecht am Schutzteich. Dann in den 1920ern gehörte sie zu der von Hermann Emil Ernst. Jetzt befindet sich dort die Hofmann Kühlfahzeuge GmbH.

1925 ersetzte die Handschuhfabrik Heinrich Rätzer Nachfolger das Wasserrad durch eine 12 PS Francisturbine mit einer Schluckfähigkeit von 180 Liter pro Sekunde bei 6,5 m Nutzgefälle. Der Turbinentyp konnte auch bei weniger Wasseranfall und mit schwankender Fallhöhe laufen. Entsprechend geringer fiel natürlich die Leistung aus.

Für derartige Zwecke brachte man sie verbreitet einlaufseitig in einem Schacht unter.

Im Januar 1931 sah der Plan zur weiteren Frohnbachüberwölbung noch die  Erneuerung der Wehranlage mit vor. Ob die Turbine damals bei der Insolvenz oder erst später beim Umbau durch die Gemeinde ausgebaut und verkauft wurde, war im Umfeld nicht mehr heraus zu finden. Sie könnte auch nur einfach verschüttet worden sein.

Ältere werden sich erinnern: In den ersten Jahren nach dem II. Weltkrieg kam es ständig wegen Kohlemangel zu täglichen Stromabschaltungen, selbst im Überlandsystem. Das nicht weit vom Standort entfernte Elektrizitätswerk der Stadt war sowieso im Schichtbetrieb besetzt. Notstromerzeugung aus Wasserkraft und Übertragung dahin hätte sich da angeboten. Aber Graben und Technik funktionierten scheinbar endgültig nicht mehr. Neubeschaffung eines Generators war in der Zeit sowieso illusorisch. Nur im Schutzteich haben noch 1948 Angestellte der Stadt Oberfrohna Fische aus den Waldteichen für die örtliche Lebensmittelversorgung gehältert. Auf keinen Fall eignete sich dafür der Zulauf aus dem Frohnbach. Oberhalb vom Wehr lagen schon lange weitere Färbereien ohne ausreichende eigene Abwasserbehandlung. Dazu kam die Verschmutzung durch reichlich häusliches Abwasser. Also kann nur das Hangquellwasser zu der Zeit allein den Teich gespeist zu haben. Es läuft heute noch in die Grundstücke. Auch soll nach dem Krieg laut Friseur Bula Senior im Schutzteich sogar ein Junge ertrunken sein. Vielleicht der Anlass, ihn endgültig zu beseitigen. Auf jeden Fall hatte vor dem Umbau zur Kaufhalle im Keller neben dem ehemaligen Triebwerksraum der Jostschuster seine Werkstatt und Schuhkleinfabrikation.

Am Ende bleibt mit jetzigem Auffinden der alten Radstube noch der Grund offen, warum sie nicht bereits beim Bau der Rätzerschen Handschuhfabrik mit verfüllt wurde. 

Nachtrag:

Wasser auf Spielplätzen ist heutzutage verbreitet und vor allem bei Kindern beliebt. Ein Vorschlag aus der Oberfrohnaer Bürgerschaft empfahl im Bewusstsein des Standortes die Mitstationierung eines kleinen spielplatztauglichen Wasserrades als hydromechanische Demonstrationsanlage. Er wurde  von der Stadtverwaltung zwar wohlwollend entgegengenommen, aber eben nicht realisiert. Wenigstens und ganz bescheiden gegenüber Oberfrohnaer Vorgehensweise als eigenständige Kommune haben wir jetzt eine modernere Handpumpe, die aus dem Trinkwassernetz gespeist wird.

Reinhard Käferstein

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 10. Juni 2021 -

Wir unternehmen unseren Waldbummel mit offenen Augen. Verschiedene Dinge sind es, die uns da zum geschichtlichen Denken und Studieren veranlassen, die Grenzsteine, die Steingruben und -brüche, die baum- und buschbewachsenen Wege. Sie liegen offensichtlich für jedermann und sind uns Derzeitigen beredte Belege dafür, wie der Wald von dem kultur- und volkswirtschaftlichen Treiben der heimatlichen Vorbewohner vor Jahrzehnten und Jahrhunderten mit geformt wurde.

Auffällig ist uns die Uneinheitlichkeit der Grenzsteine nach ihren Standort sowohl, als auch in ihrer Form. Grenzsteine erfüllen ihren Zweck und kommen ihrem Name nach, wenn ihre Verbindungslinie die Umfanglinie des Grundstückes ist. Im Hohen Hain hat aber eine Menge Grenzsteine auch mitten im Waldgelände ihren Platz. Was sollen und wollen diese Sonderlinge hier? Böswillig versetzte sind sie auf keinen Fall. Dafür ist ihre Zahl zu groß. Sie sind vielmehr jedem Beobachter ein Fingerzeig dafür, dass die heutige Gesamtfläche des Waldes nicht zu jeder Zeit auch einheitlich in der Besitzzugehörigkeit gewesen ist. Dadurch erklärt sich auch die Verschiedenheit der Grenzsteine in ihrer Form und Material. Die Gesteinsmasse ist bei einem Teile Glimmerschiefer, bei dem anderen Rochlitzer Porphyr, bei einem dritten Granulit.  Die einen hat der Steinmetz  zu Grenzsteine zugerichtet, die andern  sind ungeformte Bruchsteine. Manche tragen gar sein Zeichen, andere nur eine Nummer. Eine dritte Sorte ist bezeichnet mit Nummer und Buchstaben, entweder  mit  RL = Rittergut Limbach oder  mit G v W = Graf von Wallwitz.

Quelle: Limbacher Heimat-Studien 1933, geschrieben von Paul Fritzsching

Fotos: Michael Nestripke, Förderverein Esche Museum

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 27. Mai 2021 -


Im Januar kamen immer mehr Flüchtlinge aus Schlesien (Oppeln, Brieg, Breslau) hier an und wurden in Limbach, Oberfrohna, Pleißa, Kändler in Privatquartieren untergebracht. Die Pestalozzischule wurde noch zu einem Lazarett, das aus Guhrau (Schlesien, heute Góra, Polen) hierher verlegt worden war. Lazarette waren schon eingerichtet im Krankenhaus, in den Schulen III (Pleißaer Straße), Oberfrohna, Rußdorf, Berufsschule, im „Schweizerhaus“, in der „Parkschänke“, im Gasthof „Weißes Ross“ (Pleißa) und im „Jahnhaus“. In diesen Lazaretten lagen mehr als 3.000 verwundete Soldaten.

Am Dienstag, dem 6. Februar 1945, bombardierte eine Staffel amerikanischer Flugzeuge in Oberfrohna den Bahnhof, auf dem zwei Lazarettzüge standen und trafen besonders den Ortsteil westlich vom Jahnhaus - Sportplatz, Siedlerweg, Rußdorfer Straße, Rosenhof. Hier wurden nach dem Angriff 85 Bombentrichter gezählt. Es kamen 13 Zivilisten ums Leben, davon sieben Frauen und zwei Kinder. Sie wurden auf dem Oberfrohnaer Friedhof beerdigt, wo ihre Gräber noch zu sehen sind. In die Zeit von Januar bis April 1945 fielen die verheerenden und vielfach wiederholten Bombenangriffe auf Dresden (13.2.), Leipzig (27.2.), Chemnitz (5.3.) und Plauen (10.4.) mit Tausenden Toten und zerstörten Städten.

Am 18.2.1945 wurde das 2. Aufgebot des Volkssturms[1] vereidigt. Bataillonsführer war der Limbacher Bürgermeister Dr. Jokesch. Der Volkssturm wurde zu Aufräumungsarbeiten in das zerstörte Chemnitz geschickt und im Umgang mit Waffen unterwiesen. Am 25.3. wurde auch noch das 3. Aufgebot des Volkssturms vereidigt, die 16- bis 20-Jährigen. Die Jahrgänge 1927 und 1928, also die 17- und 18-Jährigen waren jedoch bereits 1944 zum Wehrdienst eingezogen worden, so dass das 3. Aufgebot fast ausschließlich aus 16-jähri-gen Hitlerjungen bestand. Jokeschs Plan war, Limbach zu verteidigen. Er hatte die Stadt zum Kampfgebiet erklärt und Wehrmacht nach Limbach gezogen: Langrohrgeschütze im Hohen Hain und Gemeindewald, eine Raketen-Werferbatterie in Grimms Steinbruch. Die Geschütze kamen nicht zum Einsatz, die Werfer feuerten immerzu in der Nacht zum 14.4.

Ab 5.4.1945 wurde Limbach und Oberfrohna immer häufiger von Tieffliegern mit Bordwaffen angegriffen. Es gab Tote und Verwundete. Am 12. und 13. April kam es zu Alarmierung und Einsätzen des Volkssturms. Es sollten Panzergräben und Hindernisse gebaut werden. Volkssturm-Kompanien wurden nach Pleißa befohlen, in den Rabensteiner Wald, die „Kompanie Meisel“ nach Niederfrohna. Hitlerjungen sollten mit Panzerfäusten die Amerikaner aufhalten. In Niederfrohna und Rußdorf wurden Panzersperren gebaut, die Brücke der Autobahn zwischen Kändler und Rabenstein gesprengt. Es kam am 13. und 14. April 1945 zu Schusswechseln mit den vorrückenden Amerikanern, jedoch nicht zu größeren Kampfhandlungen. Am 13. und 14.4. erreichten die Amerikaner die Rußdorfer Höhe, die Kaufunger Höhe (Jahnshorn) und Niederfrohna (Gasthof „Eiche“) und beschossen den unteren Teil von Rußdorf, die Haupt- und Oststraße in Oberfrohna und die Helenenstraße in Limbach. Der größte Teil des Volkssturms hatte sich selbst aufgelöst in der Erkenntnis, dass ihr Einsatz völlig sinnlos war. Ein Teil zerstreute sich am Bismarckturm in Borna, andere wurden gefangen genommen und in der Fa. C.A. Kühnert, Limbach, Chemnitzer Straße 71, eingesperrt. Am 14.4.1945 kam vom Wehrmachtskommandanten des Volkssturms, Hauptmann d. R. Barthel, der Befehl: „Volkssturm ist aufgelöst, alle Unterlagen vernichten!“ Barthel hatte sich gegen den Bürgermeister Jokesch durchgesetzt, der Limbach durchaus „verteidigen“ wollte. Am 15.4.1945 waren auch die Reste des Volkssturms nicht mehr vorhanden.

Rußdorf: Am 14.4. hatten im unteren Ortsteil noch 45 deutsche Soldaten den vorrückenden Amerikanern Widerstand geleistet und drei getötet. Die Amerikaner beschossen darauf mit Panzerkanonen mehrere Häuser und Bauerngüter, wodurch fünf Zivilisten und drei Wehrmachtsangehörige getötet wurden. Die Amerikaner rückten vor und durchsuchten die Häuser nach deutschen Soldaten. Zwei wurden in einem Keller an der Folgenstraße entdeckt. Sie ergaben sich, wurden gefangen genommen und am Folgenbach erschossen. In Rußdorf brannten 23 Gebäude und eines in Falken. Die Brände waren wohl durch den Beschuss entstanden, vielleicht auch von polnischen Zwangsarbeitern angezündet.

 

Oberfrohna: Am Freitag, dem 13.4. heulten in Limbach und Umgebung die Sirenen: Panzeralarm! Am Abend war Geschützdonner aus Westen zu hören. Die meisten Einwohner verbrachten die Nacht im Luftschutzkeller. Am Vormittag des 14. 4. rückten die Amerikaner über Rußdorf und Kaufungen nach Oberfrohna vor. Aus vielen Häusern hingen weiße Fahnen. Schüsse aus Panzerkanonen trafen u.a. die Oberfrohnaer Schule, mehrere Häuser und eine Fabrik, es gab zwei tödlich Verletzte. Die Steinertsche Fabrik an der Wol-kenburger Straße 3 geriet in Brand. Dr. Lässer, ein Arzt im Lazarett, ging den amerikanischen Truppen auf der Kaufunger Straße mit einer weißen Fahne entgegen. Vermutlich hat er damit viel Unheil abgewendet. Auf der Nordstraße drohten SA-Männer, Häuser anzuzünden, an denen eine weiße Fahne gezeigt würde. Gegen Mittag gingen die Ärzte und Beamten auf die Panzer zu und übergaben den Amerikanern die Verwundeten des Lazaretts in der Oberfrohnaer Schule. Häuser an der Hainstraße und Lindenstraße mussten zur Einquartierung geräumt werden, Fahrzeuge der US-Armee parkten in der Hainstraße unter den Bäumen. Die Panzer fuhren auf der Hauptstraße weiter in Richtung Limbach.

Limbach: Die Amerikaner beschossen am Vormittag Helenenstraße, Johannisplatz und andere Gebäude. Gegen 14.30 Uhr erschienen die ersten amerikanischen Fahrzeuge und nahmen die Stadt in Besitz. Die Bemühungen Jokeschs, der Limbach unbedingt verteidigen wollte, wurden durch den Chefarzt der Lazarette und Wehrmachtsoffiziere vereitelt, die veranlassten, dass weiße Fahnen gezeigt wurden. Jokesch erschoss seine Familie und sich. Amerikanische Truppen drangen bis zum Rathaus vor und setzten den Beigeordneten Thierfelder als Kugelfang auf die Motorhaube eines Jeeps. Er musste die Amerikaner bis zur Ostgrenze der Stadt führen. Amtsleiter der NSDAP wurden Im Hotel Central festgesetzt, später in Lager transportiert. Der amerikanische Kommandant hatte seinen Sitz im Rathaus, alle Wehrmachtsangehörigen mussten sich melden. Sie wurden abtransportiert und in Lager gebracht (u.a. Bad Kreuznach-Bingen). Am 20.4. brannten Amerikaner die Häuser Albertstraße 6 und Frohnaer Str. 3 nieder, weil angeblich daraus auf sie geschossen worden sei. Wehrmachtslager wurden geplündert. Die Amerikaner beschossen mit schwerer Artillerie von Pleißa aus Chemnitz.                   

Dr. Herman Schnurrbusch (2015)

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 27. Mai 2021 -


 

Der Anlass der Pflanzung dieser Linden vor ca. 180 Jahren war, die 300 jährige Wiederkehr der „Augsburger Konfession“, wo am 25.6.1531 die lutherischen Protestanten dem deutschen Kaiser  Karl V. auf dem Reichstag in Augsburg die evangelische Bekenntnisschrift vorlegten. In Folge dessen entwickelte sich, besonders durch das Wirken von Martin Luther, oberhalb der Main-Linie in Deutschland überwiegend der evangelische Glaube. 

Im Juni 1831 wurde in Oberfrohna diesem 300 jährigen Jubiläum gedacht und die Schuljugend pflanzte feierlich und „unter großem Jubel“ unter der Anleitung von Lehrer Reinhold Kühnert eine Linde auf der Anhöhe an der damaligen Limbacher Straße. Nachdem die erste Linde offenbar einging, denn im Juni ist keine Pflanzzeit, wurde im Oktober 1839 zum Reformationsfest oben auf dem Schulberg nach dem Kirchgang, die Pflanzung von weiteren drei Lindenbäumen vorgenommen. Diese drei Linden sollten drei Jahrhunderte des lutherischen Bekenntnisses symbolisieren. Ein Pfarrer gab wie üblich seinen Segen dazu. Sogar eine Schar von weißgekleideten Schulmädchen die Girlanden schwenkten, Kränze trugen und fromme Lieder sangen umrahmten das Volksfest. Der Kirchenchor wirkte ebenfalls mit - so konnten die Bürger es dann in den nächsten Tagen in der Zeitung lesen. Der Landwirt Gottlob August Kühn stellte für die Anpflanzung der Linden ein Stück seines Grundstückes und die jungen Bäume zur Verfügung. 

Auf Foto-Ansichtskarten der 30er Jahre erscheinen diese Jubellinden aber gar nicht wie 100-Jährige, sie hätten dann einen Stammdurchmesser von ca. 1,20 Meter haben müssen und wären mächtige Bäume gewesen. Auch auf einem Foto-Dia zu Beginn der 1930er Jahre aus dem Fundus des Esche-Museums sind das noch relativ junge Bäume. In der Gründerzeit und im  beginnenden Automobilzeitalter mussten Straßen neu gestaltet werden. Dazu gehörte auch die Verkehrsinsel mit den Jubel-Linden am sogenannten Schulberg bzw. am Beginn der Hainstraße. Bäume gingen auch mal verloren, sei es durch Vandalismus oder durch ausgebüxte Tiere. 

Überlieferungen über die damalige Neupflanzung wurden in den Archiven bisher nicht gefunden. Man erwog sogar im Jahre 1931 wegen Pflasterungsarbeiten am Schulberg bzw. an der Einmündung der Hainstraße, die Bäume zu fällen. Man gab jedoch diesen Plan wieder auf und schuf dort die heute noch bestehende dreieckige Verkehrsinsel. Die auf den Ansichtskarten der 1930er Jahre abgebildeten drei Jubellinden wurden bereits 1958 zum Naturdenkmal erklärt und bekamen am Stamm das bekannte gelbe Eulenschild. Sie waren dann in den 1990er Jahren teilweise mit dürren Ästen besetzt, die nach Stürmen schon mal abfielen und bei einigen Leuten Hysterie auslösten. Nun war guter Rat teuer. Ein Baum-Gutachten des Prof. Tesche aus Tharandt von 1997 wies die Linden als standsicher und „durchaus erhaltenswert“ aus. Zu diesem Zeitpunkt waren noch drei Linden vorhanden. Ein vom Landratsamt Zwickau dann in Auftrag gegebenes Gefälligkeitsgutachten bezweifelte jedoch im Jahre 2007 plötzlich die Standsicherheit der Jubellinden, denn alte Bäume bedeuten immer ein Risiko, so das Landratsamt „Ein Baum ein Problem – kein Baum kein Problem“. Wie kann es sein, dass zwei Baumexperten zu so unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Eine Sicherung der Linden mit z.B. Bandagen war möglich, wäre aber angeblich zu aufwändig und zu teuer gewesen befanden die Zwickauer. Inzwischen standen dort nur noch zwei Bäume. Ein Baum war allerdings hohl. Die stärkere der Linden hätte man mit wenig Sicherungsmaßnahmen durchaus erhalten können. So wurden die zwei noch vorhandenen Linden im Januar 2009 unter Protesten der Bürger und besonders vom Heimatverein Oberfrohna gefällt. Das waren aber nicht mehr die Bäume von 1839, denn zwischen Alter und Stammumfang besteht ein ursächlicher Zusammenhang. Die offensichtlich übertriebene Sorge um die Verkehrssicherungspflicht überwogen die Bürgerproteste, so dass das Landratsamt als Aufsichtsbehörde die Fällung der beiden Naturdenkmale veranlasste.  Die stärkere Linde wies nach der Fällung durchweg gesundes Stammholz am Baumstumpf aus. Am Reformationstag 2009 wurde dann feierlich eine junge Linde vom Stadtoberhaupt und dem Oberfrohnaer Pfarrer gepflanzt. Man befand, dass dieses Straßen-Dreieck am Schulberg/Hainstraße nur noch einen Baum verträgt. Die Verkehrsinsel ist heute neu gestaltet. Durch die Stadtverwaltung wurde wie vordem, neben der Linde ein großer Naturstein mit einer Gedenkinschrift aufgestellt.  Manche Bürger und Naturfreunde fragen sich, wie können Leute aus dem weitentfernten Zwickau über das Schicksal unserer denkwürdigen Bäume entscheiden.        

Friedemann Maisch
Quelle: Gemeindebuch-Oberfrohna 1839, Stadtspiegel 10/2009

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 15. April 2021 -

Die Zeit, als Helena Dorothea von Schönberg in dem damals bäuerlich geprägten Dorf Limbach die Siedlungshäuser auf dem Helensberg und Dorotheenberg anlegen ließ, datiert auf das 18. Jahrhundert. Damals dürfte der Limbach noch als silbernes, klares und in der Sonne glänzendes Bächlein durch das Limbachtal geflossen sein, um sich dann in gerader Richtung zwischen Kellerwiese und Hohen Hain ca. 200 Meter oberhalb der jetzigen Hoch­wasser­schutzanlage Knaumühlenteich mit dem Pfarrbach zu vereinen.

Nunmehr wohne ich seit 62 Jahren in dieser Stadt und kenne noch die Stelle, wo aus einem großen Rohr hinter der Färberei Roscher (heute der hintere Teil des Kundenparkplatzes von Hunde-Netto) ein übel riechendes Wasser in ein betoniertes Bachbett floss. Diesen Bachabschnitt bis zum Knaumühlenweg nannten die Limbacher wegen der darin enthaltenen Fäkalien „Würschtelbach“.

Der „Würschtelbach“ in seinem Betonbett  (Foto: Dietrich Donner)

Jetzt läuft der Limbach verrohrt durch die Kleingartenanlage „Bodenreform“, hier mit einem Einstiegsschacht (Foto: Reiner Wagler)

Anfang der 1990er Jahre wurde dieser offene Bachabschnitt des Limbachs in ein großes Rohr bis zur Straße Am Quirlbusch verlegt, um von dort durch eine unterirdische Vorkläranlage etwa 100 Meter talwärts sich mit dem Pfarrbach zu vereinen. Wo aber befinden sich die Quelle des Limbachs und sein Bachtal?

Etwa 200 m unterhalb des Knaumühlenteichs, schon auf Niederfrohnaer Gelände, plätschert der Pfarrbach. Er hat den Limbach aufgenommen. (Foto: Reiner  Wagler)

Mitglieder des Fördervereins Esche-Museum e. V. entdeckten im Sammlungsbestand einen der „Heimatlesebogen“ des Lehrers und Heimatforschers Paul Fritzsching, den er der Geschichte des Limbachtales gewidmet hat. Er lässt den Limbach selbst als Erzähler über die Entwicklung und seinen Bachlauf berichten. Der Limbach beklagt seine unterirdische Verbannung in „abscheuliche, finstere Schleusen“ und die Verschmutzung mit stinkenden Haushalt- und Färbereiabwasser. Das Thema Umweltver­schmutzung war schon zur Lebenszeit Paul Fritzschings nicht neu. Er nennt die Quelle des Limbachs und schreibt „Sage mir, wo ist denn dein Tal in der Stadt eigentlich?“

„Du aber höre: Meine Quelle liegt unter Kirchhofs Obstgarten an der Chemnitzer Straße...“

Ich selbst habe mit meiner Familie zwölf Jahre in dem großen Eckhaus Lessingstraße-Oststraße gewohnt und konnte auf den Rest des Obstgartens des bäuerlichen Anwesens Kirchhof schauen, in dem eine Schar Hühner herumlief, über die sich meine damals kleine Tochter beim Vorbeigehen auf der Chemnitzer Straße sehr freute. Dort hatte auch der VEB Stadtwirtschaft seinen Sitz. Mit der Vergrößerung des Fahrzeugbestandes für die Müll-, Fäkalien-, Container- und Schneeberäumung wurde der Obstgarten  mit Garagen und einem Sozialgebäude bebaut. Heute befindet sich nach dem Abriss der Gebäude auf dem Gelände die RSP Opel Autolackiererei, Bilgro Getränkemarkt, das Dänische Bettenlager und eine große betonge­pflasterte Parkfläche.

Heute wird das Quellgebiet des Limbachs von dieser Parkfläche abgedeckt. (Foto: Reiner Wagler)                                                   

Nach der Unterquerung der Chemnitzer Straße fließt der Limbach berohrt unter dem Artisedahof zur Marktstraße und dem Markt. Im Frühjahr 2016 brach die Bachunterführung am Markt in einer Größe ein, in der zwei PKW Platz gefunden hätten. War das ein vergeblicher Versuch des Limbachs wieder ans Tageslicht zu gelangen? Am Markt erhält der Limbach einen stetig fließenden Zufluss von der Hanglage des Wohngebietes am Wasserturm. Die Quelle befindet sich am unteren Ende des Kindergartengrundstücks an der Professor-Willkomm-Straße. Mit diesem Quellwasser befüllen die Mitarbeiter des Bauhofs die Behälter des Gießwagens und der Straßenkehrmaschine. Nach der Durchquerung des Marktplatzes und des Anfangs der Weststraße fließt der Limbach unter dem Hof der Turmpassage, der Moritzstraße, der Höfe von Gebäuden an der unteren Hechinger Straße zur Bachstraße. Von dort unter der Jägerstraße, Anfang der Peniger Straße und der Kellerwiese, dann Richtung Parkplatz vom Discounter Hunde-Netto. Der weitere Verlauf wurde bereits oben beschrieben.

Das Bachtal gegenüber der Turmpassage (Foto: Reiner Wagler)

Heute kann man an drei Stellen im Stadtgebiet die Talsohle des Limbachs sehen, die nicht durch Bodenauffüllungen zugeschüttet wurden: die Geländevertiefung bei der Schleiferei Bley, rechts der Bachstrasse bis zum großen Parkplatz vor dem Tedi-Markt und am Anfang der Peniger Straße links vor dem Limbomar, wo früher die Gaststätte Bräustübl stand.

Paul Fritzsching schreibt: „Aber eine Freude ist mir (er meint den Limbach) endlich einmal dadurch zuteil geworden, dass man in eurem Rat der Stadt auf den weisen Gedanken kam, die Verbindungsstraße zwischen dem Johannisplatz und der Jägerstraße mir zur Ehre „Bachstraße“ zu nennen. So werden die Limbacher mich wenigstens nicht ganz vergessen.“ Ich muss gestehen, die Herkunft des Straßennamens war mir bisher nicht bekannt. Ich nahm an, dass er zu Ehren des Komponisten Johann Sebastian Bach gewählt wurde.

An dieser Stelle möchte ich das beachtlich große Einzugsgebiet des Limbachs darstellen. Es umfasst die zum größten Teil durch Überbauung versiegelten Flächen der Chemnitzer Straße bis zur Wasserscheide Höhe Lidl-Markt, weite Teile der Hohensteiner Straße, der Pleißaer Straße, die Albert-Einstein-Straße, das Wohngebiet am Wasserturm, die Weststraße, Sachsenstraße, Helenenstraße, Albertstraße, Dreiviertel der Straße des Friedens, die Hainstraße, das Wohngebiet Paul-Fritzsching-Straße, die Peniger Straße, das Wohngebiet zwischen Knaumühlenweg und Am Quirlbusch und das Wohngebiet Am Hohen Hain, um nur die wesentlichen Flächen zu nennen.

Bei Betrachtung einer Karte des dörflichen Limbach aus dem Jahr 1785 überrascht die große Anzahl längst verfüllter Teiche, die ihrem Abfluss in den Limbach hatten oder durch die der Limbach selbst floss. Diese Karte  wurde von den Heimatforschern Fritzsching und Seydel nach einem historischen Vorbild gezeichnet und ist in der vom Vereinsmitglied Dietrich Donner, dem Initiator des Stadtlehrpfades, in der Broschüre zum Stadtlehrpfad abgebildet.

An der Stelle des Kirchhof‘schen Obstgartens, der Quelle des Limbachs, befand sich ein etwa 1,5 Hektar großer Teich, dahinter noch ein kleinerer Teich. An der Marktstraße durchfloss der Limbach zwei Teiche, den Helder- und den Schwemmteich. Zwischen der unteren Pleißaer Straße und der Chemnitzer Straße befanden sich ein größerer und drei kleinere Teiche. Entlang der Moritzstraße bis zum Bereich der Bachstraße war die „Dorfwiese“. Hier durchfloss der Limbach zwei weitere Teiche. Auf der Fläche des Johannisplatzes befand sich der Tiefe Teich. Ein etwa zwei Hektar großer Teich bedeckte die Kellerwiese zwischen Limbomar und Peniger Straße. Weitere fünf mittelgroße Teiche befanden sich auf dem Gelände des ehemaligen Gaswerkes an der Straße des Friedens.

Ein kritisches Areal ist die Kanalisation des Limbachs im Bereich des Johannisplatzes, der Bachstraße und der unteren Jägerstraße. Bei Starkregen floss das Oberflächen­wasser durch das Gefälle von Moritzstraße, Albert-Einstein-Straße, Weststraße, Sachsenstraße, Helenenstraße, Albertstraße zur Bachstraße. Hier kam es oft zu einem Rückstau und drückte in die Keller der Gebäude an der Hechinger Straße und des Johannisplatzes. Während meiner Tätigkeit als Hausmeister im Gebäude der Commerzbank hatte ichzweimal das zweifelhafte Vergnügen, die Kellerräume von eingedrungenen Schmutz-wasser zu reinigen. Aus den Bodeneinläufen drang bei Gewitterplatzregen Kanalisationswasser aus und wurde beim Nachlassen des Niederschlags mit einem gurgelndem Geräusch wieder eingesogen. Doch keine Sorge liebe Limbacher. Der am tiefsten Punkt im Gebäude befindliche Tresorraum war nicht hiervon betroffen. Eure in den Schließfächern deponierten Wertpapiere, Geldscheinchen und  sonstigen Klunkern können im Limbach nicht wegschwimmen, da dort kein Bodeneinlauf vorhanden ist. Die in den vergangenen Jahren durchgeführte Kanalerneuerung mit Querschnitts­vergrößerung im Bereich Bachstraße-Jägerstraße hat diesen Missstand behoben.

Reiner Wagler
Förderverein Esche-Museum e.V.
Verein zur Pflege der Industrie- und Heimatgeschichte

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 11. April 2021 -

Der Bahnhof „Limbach (Sachs)“ wurde kürzlich zurückgebaut. Nur wenig erinnert nun an die ehemalige Bahnanbindung unserer Stadt.  Im Ortsteil Kändler gibt es noch eine „Bahnhofstraße“ und  eine Straße “Am Bahnhof“. Das macht neugierig, das fordert dort die Suche nach einem Bahnhof geradezu heraus. Neben Limbach war Kändler früher reichlich mit Industrie, Handwerk und Gewerbe gesegnet.  Was lag da näher, gute Verkehrsverbindungen zu schaffen, die einerseits Rohstoff- und Energielieferungen (Kohle), andererseits den Absatz der Waren sichern mussten. Die Flur von Kändler wurde bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts von zwei Eisenbahnlinien geschnitten – die Wittgensdorf-Limbacher und die Wüstenbrand-Limbacher Strecke. Im Beitrag geht es um  den Streckenteil ab Kändler.  Jahrzehntelang konnten die Einwohner von Kändler von ihrem Bahnhof aus mit dem Zug in alle Ziele in Deutschland starten. Mit nur einmal Umsteigen hätte man, wenn damals Zwickau die Kreisstadt gewesen wäre – in weniger als einer Stunde in Zwickau sein können.


(Die grüne Linie auf dem Kartenausschnitt zeigt die Bahnlinie „Limbach-Kändler-Röhrsdorf/Löbenhain-Rabenstein-Grüna ( danach gemeinsam weiter auf Linie <C-Altendorf-Wüstenbrand>) -Wüstenbrand“)

Wie es begann:

Aus der Chronik: „Es hatte sich als notwendig herausgestellt, vom Lugau-Ölsnitz-Gersdorfer Steinkohlengebiet dem Limbacher Industriegebiet die dringend nötigen Steinkohlen zuzuführen“ . Im Sächsischen Landtag erfolgte 1893/94 die Genehmigung zum Bahnbau Limbach-Wüstenbrand, der an beiden Endpunkten im März 1896 begann. Am Bahnbau waren im Mai 1896 537 Mann beschäftigt, vorwiegend italienische Gastarbeiter. Die Hochbauten wurden von ortsansässigen Firmen errichtet.  Am 30.11.1897 erfolgte die feierliche Eröffnung des Bahnbetriebes. Es fuhr ein Sammelzug von Limbach (8:45 Uhr) über Kändler (8:53), Röhrsdorf (9:01), Rabenstein (9:14), Obergrüna (9:25) mit Ankunft um 9:32 Uhr in Wüstenbrand. Es folgten dann zwei Festzüge in beiden Richtungen jeweils von den Endstationen. In Rabenstein gab es ein Frühstück, das Festmahl wurde im großen Saal des Hotels „Zum roten Hirsch“ (heute Stadthalle Limbach-Oberfrohna) eingenommen. Nach all dem Jubel begann am 1.Dezember der planmäßige Personen- und Güterverkehr auf der ca. 12 km langen Strecke.

Die Haltestelle Kändler wurde am 1. Dezember 1897 eröffnet und 1905 zum Bahnhof hochgestuft. Später dann als Ladestelle bis 1996 geführt. Am 31. Dezember 1950 wurde wegen der geringen Verkehrsbedeutung der durchgehende Betrieb eingestellt. Am 29.12.50 fuhr der letzte Zug nach Wüstenbrand. Ab April 1951 begann der Abbau der Gleisanlagen zwischen Röhrsdorf und Abzweig Schützenhaus Grüna (heute Forsthaus). Die Abzweigstelle „Schützenhaus“ wurde bis 1952 zunächst noch für den Baustofftransport des „Kulturpalastes der Wismut“ in Rabenstein genutzt, bis auch dort die Gleise abgebaut wurden. Die Strecke Kändler bis Bahnhof Röhrsdorf wurde gelegentlich bis 1959 im Güterverkehr bedient und für Übergabefahrten zum Bau des Zentralen Umspannwerkes (ZUW) in Röhrsdorf genutzt. Nachdem diese Nutzung 1994 eingestellt worden ist, erfolgte die Stilllegung am 6. Juni 1996.  Die Gleise waren übrigens keine Reparationsleistungen an die Sowjetunion, sondern wurden für die Behebung der Kriegsschäden an den Hauptstrecken und für neue Strecken zur Umfahrung Berlins benötigt, was der damaligen besonderen politischen Situation geschuldet war.

Bahnhof einst:

Haltepunkt und Güterschuppen

ehemaliges Bahnhofshotel und Bahnhofsgelände heute

Von den Bahnanlagen ist nichts mehr zu sehen. Das Gebäude „Am Bahnhof 1“ war das Bahnhofshotel. Dort wurden die Fahrkarten vom Wirt K. August Heinrich verkauft. Sogar Übernachtungsmöglichkeiten waren vorhanden. Heute ist es ein Wohnhaus. Das Verwaltungsgebäude des früheren hinteren Güterschuppens wird heute von einem Mineralölhandel genutzt.

Die Strecke ist zwar nicht mehr in Betrieb, ist aber ein verkehrstechnisches Kleinod, dessen Reiz man auf einer Wanderung entlang der alten Bahnlinie erschließen kann. Bedeutsam sind die Brückenbauwerke bzw. der insgesamt sehr interessante  Verlauf in reizvoller Umgebung.

Gleich nach dem Bahnhof Kändler führt eine Brücke über die Hauptstraße , gefolgt von der großen Brücke über den Pleißenbach. Eine Zementstampfbetonbrücke mit Betongelenken. Ausgeführt von der Firma „Cementwaarenfabrik“ Windschild & Langelott aus Cossebaude. Die Auritztalbrücke, im Volksmund eher als „Schramm-Karl-Brücke“ nach dem Erbauer bekannt, führte über die Bundesautoba hn A 4, ein sogenanntes Gerüstpfeiler-Viadukt, der 1976  abgerissen wurde. Es muss spannend gewesen sein, wie 1936 die Autobahn unter das Bauwerk „gefädelt“ worden ist. Ob die früheren Brückenbauer schon ahnten, dass vierzig Jahre später ein modernes Straßenverkehrsprojekt verwirklicht werden wird?

Brücke Hauptstraße

Viadukt Pleißenbach (Foto: Thomas Böttger)

Auritztalbrücke über BAB4

Das Viadukt Rabenstein in Nähe „Café Schmidt“ ist wahrscheinlich ebenfalls von Karl Schramm projektiert worden. Es steht unter Denkmalschutz und soll saniert werden. Wie die „Freie Presse“ am 25.9.20 berichtete, wollen die Stadträte von Chemnitz an der Sanierung des Brückenbauwerkes festhalten.  Dafür sollen 1,5 Millionen Euro aus DDR-Parteivermögen zur Verfügung stehen. Eine Plakette an einem Brückenpfeiler nennt einige Daten zum Viadukt.

Brücke über die Oberfrohnaer Straße bei „Cafe Schmidt“ Rabenstein

Die ehemaligen Bahnhöfe in Röhrsdorf und Rabenstein existieren nicht mehr. Die einst beliebte Bahnhofsgaststätte Röhrsdorf befand sich am östlichen Rand des Zentralen Umspannwerkes. Der ehemalige Bahnhof „Grüna (Sachs) ob Bf“ wird als Wohnhaus genutzt.

ehem. Bahnhofsgaststätte Röhrsdorf  

     

ehem. Bahnhof Rabenstein

ehem. Bahnhof Grüna                       

Nahe dem Forsthaus Grüna befand sich eine filigrane, wie auf Stelzen stehende Brücke aus Eisen. Diese wurde abgerissen, der Damm weiter aufgeschüttet, die Lücke durch eine Betonbrücke ersetzt. Das auf dem Bild zu sehende Bauwerk ist die durch Stahlbeton später ertüchtigte Brücke. Dies war notwendig geworden, da zur Sicherung der Kohleversorgung des Chemnitzer Heizkraftwerks Nord eine Ausweichstrecke aus Neukieritzsch vorgehalten worden war, um auf mögliche Havarien der Hauptstrecke schnell reagieren zu können.

Brücke neben „Forsthaus Grüna

Erwähnt werden soll auch eine „besondere“ Brücke auf der Bergstraße (heute Kreisigstraße Rabenstein) über die Bahnlinie. Einige Strumpfwirkergesellen fuhren zur Einweihung im September 1897 mit einem Eselskarren, der mit einem Strumpfwirkerstuhl beladen war, über diese Brücke. So bekam sie den Spitznamen Eselsbrücke. Heute erinnert ein kleines Denkmal noch daran.

Denkmal Eselsbrücke

Ausblick
Für die Stadt Limbach-Oberfrohna mit Ortsteil Kändler ist längerfristig eine Wiederanbindung an den Schienenpersonenverkehr geplant. Mit dem „Chemnitzer Modell“ Stufe 4 sollen noch die ersten 4 km des Bahngeländes ab Bhf. Limbach genutzt werden, danach die ehemalige Verbindung nach Hartmannsdorf/Chemnitz-Center in die Innenstadt Chemnitz. Lt. VMS (Verkehrsverbund Mittelsachsen) wird für die komplette Fertigstellung das Jahr 2030 angepeilt.

Wenn man mal die eingangs genannte Bauzeit für die 12 km Bahnstrecke von Limbach nach Wüstenbrand mit diesen tollen Viadukten, Brücken und Unterführungen vergleicht, darf getrost der Hut vor den Leistungen unserer Vorfahren gezogen werden.

Den vielen Unterstützern, die mich in vielen Gesprächen mit Hinweisen, Ideen und Bildmaterial unterstützt haben, sage ich hiermit Dankeschön, ganz besonders bei Herrn Dr. Horst Bretschneider und Herrn Renè Müller, für seine Sammlung historischer Postkarten und Fotos! Für die technischen Angaben erhebe ich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und übernehme keine Haftung.
Michael Sieber

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 4. März 2021 -

Der Würzburger Physikprofessor Wilhelm Conrad Röntgen entdeckte 1895 die nach ihm benannten Strahlen. Er nannte sie „X-Strahlen“, wie sie im anglo-amerikanischen Sprachbereich noch heute heißen: „X-Ray“. Röntgen verzichtete auf die Patentierung seiner Entdeckung und damit auf Millionengewinne. Er wollte, dass der Nutzen seiner Forschung der Allgemeinheit gehören sollte. Das führte zu einer schnellen und weiten Verbreitung seines Durchleuchtungsverfahrens und zu grundlegender Umwälzung in der Medizin. Jetzt konnten erstmals Bilder von Knochen oder inneren Organen auf Fotofilm angefertigt werden. Schon bevor Röntgen 1901 den ersten Nobelpreis für Physik erhielt, wurde seine Methode an vielen Orten angewendet.

So auch 1897 im ersten Chemnitzer Röntgeninstitut von Dr. Walther und 1898 im ersten Chemnitzer Stadtkrankenhaus an der Zschopauer Straße. Die Firma Max Kohl in Chemnitz stellte Röntgenröhren her, die sich allerdings nur große Einrichtungen in Städten mit entsprechender Finanzkraft leisten konnten. Limbach gehörte nicht dazu. Es hatte um 1900 reichlich 12.000 Einwohner. Aber es gab hier an der Bürgerschule I einen sehr interessierten und rührigen Lehrer - Arthur Müller. Er war am 31. Oktober 1868 in Oberfrohna geboren worden und hatte als Kind selbst diese Schule besucht. Nach Limbach kam der dreißigjährige Lehrer zu Schuljahresbeginn an Michaelis, 29. September 1898. Müller unterrichtete auch an der Fortbildungsschule (Vorgängerin der Berufsschule) und am Limbacher Technikum, das 1898 bis 1908 in der Anna-Esche-Straße 10 bestand. Der Lehrer kaufte sich eine der kostspieligen Röntgenröhren und experimentierte damit bei seinen Physik-Vorlesungen am Technikum. Die Möglichkeiten der Röntgendurchleuchtung faszinierten ihn so, dass er an Hochschul-Lehrgängen zum Thema Röntgenstrahlen und deren Anwendungen teilnahm und sich so immer mehr Kenntnisse und Erfahrungen aneignete.

Schließlich richtete er 1902 in seinem Haus in der Kirchstraße 2 ein „Privatlaboratorium für Röntgenstrahlen“ ein. Bereits 1905 konnte er sein voll funktionsfähiges Röntgenlabor der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Müller wollte, wie sein verehrtes Vorbild Röntgen, den Nutzen der neuen Methode allen zugänglich machen. Bis dahin schickten die Ärzte ihre Patienten zu Röntgenuntersuchungen nach Chemnitz, falls sie das überhaupt für nötig hielten. Jetzt stellten Ärzte aus dem Ort und der Umgebung ihre Patienten dem „Röntgen-Müller“ zur Untersuchung vor. Der Lehrer hatte an den schulfreien Nachmittagen und am Wochenende ein volles Wartezimmer. Es kamen Ärzte mit Patienten im Auto oder Sanitätswagen und wollten Knochenbrüche geröntgt haben, Fremdkörper entfernen, bei ihren Patienten Verletzungen einrenken und Verbände anlegen. Während des 1. Weltkrieges kamen auch Verwundete aus umliegenden Lazaretten zum Röntgen. So bot das Müllersche Privatlabor über zwanzig Jahre lang die einzige Möglichkeit zu einer Röntgen-Untersuchung weit und breit.

In dieser Zeit spielte die Volksseuche Tuberkulose eine große Rolle. Etwa drei Prozent der Bevölkerung starben damals jährlich an dieser Krankheit, wozu auch Unterernährung und Hygienemängel maßgeblich beitrugen. Robert Koch hatte 1882 das Tuberkelbakterium als Erreger entdeckt, aber erst 1926 wurde ein Impfstoff durch die Franzosen Calmett und Guérin (BCG-Impfung) gefunden. Als wirksames Medikament fanden die Amerikaner Waksman, Schatz und Bugie (New Jersey) 1943 das Antibiotikum Streptomycin. Bis dahin mussten gute Ernährung und die „alten Zauberkräfte der Natur: Sonne, Luft und Licht“ (Sauerbruch) gegen die Tuberkulose helfen. Zu einem enormen Ansteigen der Erkrankungszahlen kam es wieder nach 1945, überall mussten „Lungenheilstätten“ eingerichtet werden, in öffentlichen Gebäuden waren Spucknäpfe angebracht und Schilder mit der Aufschrift „Nicht auf den Boden spucken!“ Die Röntgenreihenuntersuchung zur Erkennung der Tuberkulose stammt von 1939. Sie wurde nach Befehl Nr. 234 der SMAD 1947 Grundlage für die systematische Untersuchung der Bevölkerung (VRRU) der DDR, bei der ab 1956 einmal im Jahr die Lunge jedes Erwachsenen geröntgt wurde. Bis 1960 wurden 11 Millionen Lungen-Aufnahmen durch die Röntgen-Busse angefertigt. Diese Vorsorge hat viel zur Früherkennung der Lungentuberkulose, aber auch des Lungenkrebses beigetragen.

In welchem Ausmaße die Krankheit sich im Leben der Städte und Gemeinden auswirkte, lässt sich daran ablesen, dass die Kommunen Ausschüsse bildeten, die nach Möglichkeiten suchten, die Seuche einzudämmen. Der Lehrer Arthur Müller setzte sich bald sehr intensiv für die Lungenkranken ein. 1914 wurde er zum Vorsitzenden des städtischen „Ausschusses zur Bekämpfung der Tuberkulose“ gewählt. Hier betätigte sich der hilfsbereite Lehrer uneigennützig zum Wohle der Allgemeinheit. Er konnte durch seine Röntgenaufnahmen der Lunge die Krankheit feststellen und Verschickungen zur Kur anregen. 1922 wurde Müller zum Oberlehrer ernannt. Im Volksmund hieß er nur noch respektvoll und anerkennend der „Röntgen-Müller“. Sein Laboratorium reichte bald nicht mehr aus, so dass die Stadt Limbach/Sa. 1924 für den Lehrer ein Geschäftszimmer mit vollständigem Bestrahlungsraum zur Verfügung stellte.

Auf seine Veranlassung richtete die Stadt eine Walderholungsstätte im Hohen Hain ein für bedürftige, unterernährte, „lungengefährdete“ Kinder. Die Eröffnung war am 7. August 1924, und sie hat Tausenden Kindern bei einem jeweils vier- bis sechswöchigen Aufenthalt mit guter Verpflegung im Wald nahe der Knaumühle geholfen, ihre Gesundheit zu stabilisieren. Dass dies bitter nötig war, zeigt die Untersuchung des Schularztes Dr. Georg Neideck 1922, der 70 Prozent der Kinder untergewichtig und 40 Prozent als „lungengefährdet“ befand. Eine Oberfrohnaer Walderholungsstätte befand sich im Gemeindewald.

Im Schuldienst arbeitete der Oberlehrer Müller bis zum Herbst 1933 und trat dann, 65 Jahre alt, in den wohlverdienten Ruhestand. Erst 1936 legte er seine öffentlich-ehrenamtliche Tätigkeit für die Gesundheit der Limbacher aus Altersgründen nieder. Er wurde öffentlich mit Dank und Anerkennung bedacht. Müller starb am 21. Mai 1938 im Alter von fast 70 Jahren. Ein Nachruf im Limbacher Tageblatt nannte ihn einen „edlen Betreuer der Volksgesundheit“ und versprach bleibendes, dankbares Andenken. Heute ist er vergessen.

Aus dem Heft von Hermann Schnurrbusch
„Personen und Persönlichkeiten“, Limbach-Oberfrohna 2006

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 18. Februar 2021 -


Gert Hofmann zum 90. Geburtstag

Gert Hofmann, einer der meistübersetzten deutschen Dichter der 1970 bis 1990er Jahre, wurde am 29. Januar 1931 in Limbach, einem Ortsteil des heutigen Limbach-Oberfrohna, geboren. Die Sprachmelodie seiner Heimat prägte den Weltbürger Gert Hofmann bis an sein Lebensende. In seiner Dissertation plädierte er für die »Dramatisierung des Romans« in Anlehnung an Henry James und Thomas Mann. In der Novelle »Die Rückkehr des verlorenen Jakob Michael Reinhold Lenz nach Riga« wird Hofmanns herausragende Leistung als deutscher und europäischer Dichter und Erzähler eindrucksvoll deutlich.

Das Geburtsjahr Gert Hofmanns liegt am Ende einer beispiellosen Entwicklung der sächsischen Industrie. Bereits im 18. Jahrhundert exportierten Limbacher Unternehmer Strümpfe und Handschuhe in alle Welt. Zwischen 1830 und 1930 verzehnfachten sich die Bevölkerungszahlen in Sachsen. Aus ganz Europa und Deutschland kamen Menschen, um hier Arbeit zu finden. Chemnitz und die Kleinstädte seiner Umgebung verschmolzen zu einer gigantischen Fabrik. Die Stadtsilhouetten wurden von hunderten Industrieschornsteinen geprägt. Selbst noch in Hinterhäusern wirkte man an der textilen Produktion. Die Maschinen entstanden gleich nebenan, in der Nachbarfabrik. Mit den Jahren bestimmte der Rhythmus der Industrie das gesamte Leben der Städte und Dörfer. Morgens strömten tausende und abertausende Menschen in die Fabriken. In den 1920er Jahren verdrängte eine internationale Massenkultur die bürgerlich-paternalistischen Kultur des 18. Und 19. Jahrhunderts. Fremdsprachenkenntnisse wurden für die Geschäftskommunikation unumgänglich. Im 1927 eröffnete Limbacher Apollo-Kino saßen Fabrikanten und Fabrikarbeiter nebeneinander und sahen sich Filme aus Babelsberg oder Hollywood an.

Gert Hofmann war nicht der einzige bedeutende Literat seiner Generation, der aus dieser Region hervorging. Vier Jahre vor ihm wurde in Limbach Werner Mittenzwei (1927–2014) geboren. Der in Eppendorf geborene Heiner Müller (1929–1995) verbrachte einige Jugendjahre in Bräunsdorf (heute Ortsteil von Limbach-Oberfrohna). Der in Chemnitz geborene Peter Härtling (1933–2017) lebte einige Jahre mit seinen Eltern im nahen Hartmannsdorf. 

Gert Hofmann wurde 1931 in einem Haus an der Limbacher Kreuzstraße (heute Paul-Seydel-Straße) geboren. Gegenüber befindet sich noch heute eine Konditorei, in der sein Onkel eines der ersten Limbacher Stummfilmkinos betrieb, ehe er das Apollo-Kino erbaute. Gegenüber der Konditorei liegt die Gaststätte „Stadt Wien“. Hier waren die Großeltern Hofmanns Stammgäste. Die Großmutter stammte aus Wien. Seine Eltern hatten sich getrennt, den Vater lernte er nicht kennen. Mit der Besetzung Limbachs durch Angehörige der 3. US-Armee am 14. April 1945 endete die Kindheit Gert Hofmanns. In den Wirren der Nachkriegszeit inhaftierte die spätere sowjetische Besatzungsmacht den Jugendlichen Gert Hofmann für einige Tage und anschließend wurde er von der Schule verwiesen. Jedoch gelang ihm trotzdem die Aufnahme in die renommierte Leipziger Fremdsprachschule. Dort legte er gleichzeitig die Übersetzter- und Dolmetscher-Prüfungen in Englisch und Russisch ab. Die normalen Schüler hatten schon mit einer Sprache Mühe. Hofmann galt als Genie. Nach dem Abitur nahm er in Leipzig ein Studium auf. Berühmte Hochschullehrer unterrichteten damals an der Leipziger Universität. (Hofmann nennt: Frings, Korff und Krauss) Aber nach einem Jahr flüchtete Hofmann in den Südwesten der Bundesrepublik, nach Freiburg im Breisgau. Auch hier berühmte Namen der Hochschullehrer (Hofmann nennt: Bergstraesser, Heidegger und Heuer). Nach dem Studienabschluss formulierte Hofmann innerhalb weniger Wochen sein literarisches Selbstverständnis als Dissertationsschrift unter dem lapidaren Titel „Interpretationsprobleme bei Henry James“. Mit Henry James und Thomas Mann geht Hofmann davon aus, dass es nicht mehr möglich ist, einen Roman im klassischen, epischen Sinne zu schreiben. Er zitiert Thomas Mann: „Heute wird alles als Roman bezeichnet, was garantiert keiner ist.“ Die Dramatisierung des Romans zeigt den Ausweg. Mit der Korrektur der bloß beschreibenden Epik verbunden ist der Verzicht auf Aktualismus. Der Künstler solle sich ein Sujet aus der jüngsten Vergangenheit suchen, was nicht mehr existiert, an das sich die Leser jedoch noch erinnern. Folgerichtig lehnt Hofmann das autobiographische Gehabe konsequent ab. Die Struktur seiner Werke wird von Dialogen gestiftet. Die Mehrdeutigkeit der Sprache soll beim Leser Assoziationen befördern. Der Schriftsteller ist ein Sprachschöpfer. Das Motto des Erzählens lautet: Es hätte so gewesen sein können! 

Über viele Jahre wagte Hofmann selbst keinen Prosatext zu veröffentlichen. Er konzentrierte sich auf Hörstücke, Hörspiele, Fernsehspiele und Theaterstücke. In den Jahren 1960 bis 1992 wurden 43 Hörspiele Gert Hofmanns von deutschen und internationalen Radiosendern z.T. mehrfach produziert und gesendet, sieben Theaterstücke aufgeführt und vier Fernsehspiele gesendet. Gert Hofmanns Theaterstücke wurden u.a. von Helmut Qualtinger und Ivan Nagel inszeniert.

Erst Ende der 1970er Jahre wandte sich Hofmann Romanen und Erzählungen zu. Die Legende sagt, dass ein Hörspiel Thomas Bernhardts im Autoradio der Anlass gewesen sein soll. Innerhalb von 14 Jahren verfasste Hofmann in ungeheurer Arbeitsintensität sein Prosawerk. In Interviews sagte er, dass er  einen Zwang spüre, bestimmte Dinge aufschreiben zu müssen, zum Teil fühle er sich „wie gehetzt“.

Nach Gert Hofmanns Worten sind Kindheit und Jugend Voraussetzungen für das Schaffen eines Schriftstellers, doch erwartet der Leser vergeblich auf einen „Heimatroman“ aus seiner Feder. Im Gegenteil. Er entwickelte im Roman „Der Kinoerzähler“ sehr glaubhaft, aus der Sicht des Enkels, eine Fiktion, wonach sein Großvater der Stummfilm-Kinoerzähler des Limbacher Apollo-Kinos gewesen sei. Doch im Geburtsjahr Gert Hofmanns war das Apollo-Kino bereits auf den Tonfilm umgestellt. Einen Kinoerzähler mit dem Namen Karl Hofmann gab es aber auch vorher nicht. Bezeichnend ist, dass Hofmann selbst in dieser Fiktion Straßen- und Ortsnamen aus Limbach und Umgebung verfremdet. In der Erzählung „unsere Eroberung“, „Das Glück“, „Veilchenfeld“ und „Die Denunziation“ wird in dieser Weise immer wieder auf die Stadt L. (Limbach) angespielt. 

Die Verwurzelung in der der deutschsprachigen literarischen Erbschaft geht bei Hofmann mit der aktiven Aneignung des europäischen Erbes einher. Bereits als Student in Leipzig las er russische, französische und englische Klassiker im Original. Hofmann ging davon aus, dass künstlerische Individualität nur dem möglich ist, der sich seine kulturelle Erbschaft aneignet.

In den Novellen kommen Hofmanns Stärken am deutlichsten zum Ausdruck. In der „Die Rückkehr des verlorenen Jakob Michael Reinhold Lenz nach Riga“ behandelt Hofmann, anders als Georg Büchner, der in seiner berühmten Novelle „Lenz“ die Wanderschaft des Dichteres thematisierte, in zwölf kurzen Kapiteln nur einen Tag im Leben des Lenz: den 23. Juli 1779. An diesem Tag kehrte Lenz nach elfjähriger Abwesenheit in seine Geburtsstadt Riga und in sein Vaterhaus zurück. Doch hier beginnt die Verstörung. Der Vater, der eben zum Generalsuperintendent von Liveland gewählt worden war, will gerade das alte „Vaterhaus“ verlassen und in ein neues Haus, „eigentlich ist es ein Palast“, ziehen. Lenzens Mutter verstarb in der Zeit seiner Abwesenheit. Der Vater hat eine neue Frau. Anders als in der biblischen Geschichte wird der „verlorene“ Sohn vom Vater jedoch nicht freudig empfangen. Im Gegenteil. Er antwortet dem Sohn nicht einmal auf seine zahlreichen Anreden. Es bleibt daher nur ein Monolog des Sohnes. Schließlich gipfelt die Novelle im 6. Kapitel in Lenzens Ruf an den Vater: „Verzeihen Sie, es fehlt hier ein Gedanke, es fehlt hier ein Wort. Ich saß auf dem Stein und … ich saß auf dem Stein …. jetzt ist es fort, das Wort! Schauen Sie, es ist zwar nur ein Wort, aber trotzdem! Wo ist es denn hin, das Wort? Haben Sie das Wort vielleicht? Herr Vater, bitte geben Sie mir das Wort zurück, ich will Ihnen auch dankbar sein. Sie haben das Wort doch? Was machen sie denn mit dem Wort? Wo haben Sie denn das Wort?“

Die Formulierung erinnert an den berühmten Beginn des Johannis-Evangeliums: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Hofmann macht deutlich, dass Lenz die Sprache zur Selbstbehauptung gegenüber dem übermächtigen Vater und gegenüber den Zumutungen des Lebens dient. Die Monologe Lenzens sind ein Meisterstück Hofmanns. Er vermag die paranoide Befangenheit mit der erstaunlichen Klarsicht seines Helden, der die »widernatürlichen Lebensverhältnisse« des gleichzeitig fast ehrfürchtig respektierten Vaters erfasst, in einer verstörenden Weise darzustellen. Lenz durchschaut die Anmaßung des protestantischen Geistlichen, der sich als Gott wähnt, der auf die Gemeinde „herabpredigt“. Aber Hofmanns Sprache ist frei von jeglichem „Moralisieren“. Für viele Leser verstörend bleibt jedoch, dass Hofmanns Sprachvermögen Assoziationen zu ihren eigenen Verfehlungen, Fehlleistungen und Versagen freisetzt. Doch Hofmann verfügt über das Selbstbewusstsein einer sanften Vernunft, die keine Sieger kennt, die deshalb auch keiner „Verurteilungen“ bedarf. Mit Recht rühmen Michael Hamburger, Christopher Middleton und Klaus Walther diesen, in der deutschsprachigen Literatur singulären Stil Gert Hofmanns.

Eine junge Generation wird Gert Hofmanns Werk neu entdecken. In seiner Geburtsstadt wird, auf Beschluss des Stadtrates, der Stadtbibliothek am 29. Januar 2021, anlässlich des 90. Geburtstages Gert Hofmanns, der Name Stadtbibliothek „Gert Hofmann“ verliehen.

Andreas Eichler
Mehr dazu: https://www.mironde.com/litterata/9174/essay/gert-hofmann-zum-90

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 4. Februar 2021 -

 

 

 

Warum ich so gern vom alten Rußdorf berichte, das hat natürlich seinen Grund. Die vergangen Zeiten stehen doch wohl mehr oder weniger bei allen älteren Menschen im Vordergrund, wenn sie auch nicht so goldig waren, wie sie immer dargestellt werden. Das Erinnern an die Jugendzeit ist fest verwurzelt im Hirn eines jeden. Besonders schön war und ist der Zusammenhalt im Dorf. Jeder kennt jeden, man spricht gern miteinander, und kriminelle Probleme gab es früher überhaupt nicht. Besondere Vorkommnisse verbreiteten sich wie ein Lauffeuer durch das Dorf. Dabei wurden stets die ortsüblichen Spitznamen und Straßennamen verwandt. Man sprach von der Schlaz (Anteil Falken), von der Sperlingsgasse (Sonnenstraße), von der Sackgasse (Kurze Straße), vom Kuwer und vom Sauran (südlicher und nördlicher Teil der Meinsdorfer Straße) und von der Huhle (eine ehemalige Hohlgasse, jetzt die Hohe Straße).

Die Folgenstraße mit ihren Randsiedlungshäusern war die Ziegenschweiz, während die Langenberger Straße nach wie vor die Färbergasse ist, weil dort in der Entwicklungszeit der Textilindustrie die Färber wohnten. Das ehemalige Bauerndorf mit seinen ca. 50 Bauern und Landwirten versuchte mit allen Mitteln, sich vom „Ausland“ unabhängig zu machen, was wohl auch mehr oder weniger gelang. So gab es zu den Zeiten um den Ersten Weltkrieg herum in Rußdorf 90 Handwerkerfamilien bis hin zum Brunnenbauer und Bürstenmacher. Insgesamt konnte man wohl an die 180 Geschäfte zählen, und das bei ca. 400 Wohnhäusern mit etwa 3500 Einwohnern. 12 Gaststätten luden zur Einkehr ein. Außerdem gab es etwa 30 Betriebe der verschiedensten Größe (von der Strumpffabrik Welker & Söhne über verschiedene Wirkwarenfabriken bis hin zur Senffabrik des Ferdinand Sommer). Alles war vorhanden. Steinbruch und Ziegelei sowie zwei Bauunternehmer sorgten für Neu-, Um- und Ausbau. Die Gesundheit lag in der Hand des Dr. med. Brummer, außerdem sorgten eine Apotheke, ein Heilpraktiker und ein Zahnarzt für das Wohl der Rußdorfer. Auf kulturellem Gebiet waren Kunstmaler, ein Geigenvirtuose, Ritschers Marionettentheater, zwei Gesangsvereine, das Mandolinenorchester und der Zitherklub tätig. Außerdem gab es weitere Vereine, damit jeder seinem Hobby nachgehen konnte. Die zwei Sportvereine boten immer wieder Veranstaltungen an, der Schützenverein war aktiv mit seinem Vogelschießen und der Pfeifenclub versuchte Rekorde im Langzeitrauchen.

Die Rußdorfer Sportler hatten schon immer einen guten Namen.

Hans Lange

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 21. Januar 2021 -

Die Häuschen am Helens- und am Dorotheenberg waren alle nach dem gleichen Bauplan und Muster höchst einfach, aber solide gebaut. Das Erdgeschoss wurde auf einer Grundfläche von etwa 6 x 12 m aus Bruchsteinen oder Lehmziegeln etwa 5 bis 6 Ellen[1] hoch errichtet. Darauf kam hölzernes Fachwerk etwa in der gleichen Höhe, die Fächer wurden mit Lehm ausgefüllt. Das Satteldach mit hohen Giebeln war mit Schiefern, oft auch mit Stroh oder Schindeln gedeckt.
Die Haustür in der Mitte des Gebäudes führte vom Vorgarten oder direkt von der Straße in einen schmalen Flur mit einer halsbrecherisch schmalen und steilen Holztreppe ins Obergeschoss. Die Tür und die Fenster im Untergeschoss hatten manchmal Gewände aus Chemnitzer Porphyrtuff, im Obergeschoss fasste Holz die kleinen Fenster ein.
„Duck dich!“ hieß es beim Eintritt in das Haus und „Bück dich!“ auch bei den Türen und Fenstern im Inneren. Die Deckenhöhe betrug kaum zwei Meter. Zur Wohnung einer Familie gehörten eine Wohnstube und eine Schlafkammer, dazu eine Bodenkammer und die Mitbenutzung des Dachbodens. Im Wohnstübchen drängte sich die zahlreiche Familie um den Ofen aus Peniger oder Waldenburger Kacheln. Neben den Großeltern sicherten sich oft die Verkäufer eines Hauses freie Wohnung in der Stube des Käufers. Neben den einfachen Möbeln mussten der Strumpfwirkerstuhl, das Spulrad und alle anderen notwendigen Handwerksgeräte untergebracht werden.
Im Vorgarten und hinter dem Haus war Platz zum Anpflanzen von Obst, Gemüse oder Kartoffeln, auch um Kleintiere zu halten. Das trug zur Selbst-versorgung der Bewohner bei.
Einige dieser Strumpfwirkerhäuschen existieren noch auf der Helenen- und der Doro-theenstraße. Die meisten sind verschwunden.

Aus P. Fritzsching, H. Schnurrbusch: Vom Urwalddorf zur Industriestadt, Limbach-Oberfrohna 2007

Dr. Hermann Schnurrbusch

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 21. Januar 2021 -




Wer war dieser Mann, dessen Name heute in Limbach-Oberfrohna ein Platz und eine Straße tragen?  Er muss also für unseren Ort schon eine gewisse Bedeutung haben. Die zum Teil vorhandene Unwissenheit der jungen Generation um Vorgeschichte oder Persönlichkeiten ihrer Heimat hat sicherlich sehr verschiedene Ursachen, auf die ich in diesem Beitrag nicht näher eingehen möchte.

Am 12. Dezember 1861 erblickte Paul Fritzsching in der kleinen Stadt Meerane das Licht der Welt. Nach erfolgreichem Abschluss seiner Schulzeit besuchte er von 1875 bis 1881 das damalige Lehrerseminar in Zschopau. Danach arbeitete er zuerst als Hilfslehrer und ab 1884 als ständiger Lehrer in Niederwürschnitz (heute: Erzgebirgskreis). Ein Jahr später geht er nach Limbach an die Bürgerschule I (heute: Goethe-Grundschule). Hier kam es zu ersten Kontakten mit Paul Seydel, einem Lehrer der sich um die Geschichtsschreibung im  Limbacher Land große Verdienste erworben hat. Die Beiden verband zeitlebens eine enge Freundschaft. Viele gemeinsame Arbeiten legen davon Zeugnis ab. Beide wechselten 1888 an die damals neu erbaute Bürgerschule II (heute Pestalozzi-Oberschule). Paul Fritzsching bekleidete viele Ehrenämter.  Er war Stadtrat und Mitarbeiter in anderen städtischen Gremien aber auch im Bezirkslehrerverein oder im Verein für sächsische Volkskunde.  Im Jahre 1958 schrieb sein Sohn Karl: „Beide (gemeint sind P. Fritzsching und P. Seydel) waren Lehrer, Jünger Pestalozzis, also auch Verfechter seiner These, dass die Anschauung das Fundament aller Erkenntnis ist. Wo aber die Gegenwart mit ihrer Anschauung versagt, soll das Heimatmuseum … die Lücken schließen“. Der Gedanke zu einer ortsgeschichtlichen Sammlung wurde von Seydel schon 1806 in die Tat umgesetzt. Zuerst in den Kellerräumen der Bürgerschule II und später unter P. Fritzschings Regie in der ehemaligen Wirkschule, Turnstraße 4 (heute: Hort Der Goethe-Grundschule / Zeichnung). 1905 wurde P. Fritzsching zum Oberlehrer ernannt und im Jahre 1908 zum stellvertretenden Direktor der Bürgerschule II. Schon 1924 musste er infolge des sogenannten „Personalabbaugesetzes“ mit 63 Jahren in den Ruhestand gehen. Am 27. Februar des gleichen Jahres war sein langjähriger Freund Paul Seydel gestorben. Paul Fritzsching übernahm nach seiner Pensionierung die Leitung des Heimatmuseums und baute es weiter aus. Auf regionalgeschichtlichem Gebiet zeigte Fritzsching überdurchschnittliche Aktivitäten. Viele seiner Aufsätze wurden in der Presse veröffentlicht, oder erschienen in Buchform. Bis zu seinem Tode im Jahre 1947 sind es weit über einhundert Arbeiten. Fritzschings Grundanliegen bestand darin, einer breiten Bevölkerungsgruppe Heimatgeschichte verständlich nahe zu bringen. Am 12. Dezember 1941 beging der von vielen Zeitgenossen geachtete Lehrer und Heimatforscher seinen 80sten Geburtstag. Ihm wurden viele Ehrungen zuteil. Auch nach Ende des Krieges scheute er keine Mühen und ging im März 1946 zusammen mit Sohn Karl und Hausmeister Dohle daran, das Museum in den Kellerräumen der Pestalozzischule wieder für die Öffentlichkeit herzurichten. Durch die Einrichtung eines Kriegslazaretts im Schulgbäude, hatten einige Ausstellungsstücke großen Schaden genommen. Im Oktober 1947 schrieb Paul Fritzsching seine letzte regionalgeschichtliche Abhandlung über die Entstehung des Johannisplatzes. Der Artikel erschien im gleichen Jahr in der „Volksstimme“ (heute: „Freie Presse“). Da der Aufsatz von der Redaktion so gekürzt wurde, „dass er stark an Verständnis für die Allgemeinheit… verloren hat“, brachte Fritzsching seinen Unmut darüber öffentlich zum Ausdruck. Das gleiche Blatt veröffentlichte am 2. Dezember 1947 folgende Zeilen: „Kurz vor Vollendung seines 86. Lebensjahres verstarb am 27. November 1947 Oberlehrer i.R. Paul Fritzsching. Mit ihm verschied einer der verdienstvollsten Bürger der Stadt Limbach. Er hat sich um die Erforschung der Geschichte unserer Stadt und der engeren Heimat einen Namen gemacht. Dem Heimatmuseum, dem er jahrzehntelang in unermüdlicher Schaffenskraft vorgestanden hat, gab er seine Bedeutung.“

Auf dem Limbacher Friedhof hat Fritzsching in der Familiengrabstätte seine letzte Ruhe gefunden. Seit einigen Jahren kümmern sich Schüler der Pestalozzi-Oberschule, im Rahmen eines Projektes  um  die Pflege und den Erhalt der Grabstätte. Vielleicht könnten diese Aktivitäten auch Ansporn für weitere Grabpatenschaften sein, bei denen eine Unterstützung durch die Denkmalpflege wünschenswert wäre. Die Erhaltung der letzten noch bestehenden Grabstätten bekannter Persönlichkeiten liegt sicher auch im Interesse unserer Stadtväter.

Text und Zeichnung: Volker Bokum

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 7. Januar 2021 -

In den Jahren des 19. Jahrhunderts wurden aus verschiedenen Anlässen, jeweils verbunden mit patriotischen oder religiösen Feierlichkeiten, denkwürdige Bäume meist Eichen und Linden gepflanzt. Die Eichen z.B. sind nicht nur in Deutschland Symbol der Kraft und der Beständigkeit. Diese Bäume sind heute teilweise noch erhalten.

Limbach: Im Jahre 1839 pflanzte man feierlich auf dem dritten Limbacher Friedhof, heute das Gelände hinter der Großsporthalle,  zwei Eichen in Gedenken an 300 Jahre Reformation und an einen sächsischen Kurfürsten, der die Reformation förderte. Rechts vom Friedhofstor die sog. Heinrichseiche (Heinrich der Fromme, Markgraf von Meißen 1573-1541) sie steht unmittelbar neben der heutigen Großsporthalle und nahe dem Anna-Esche Gässchen und ist angeblich noch erhalten. Links die Luthereiche. Einer der Bäume ist nicht mehr existent, wahrscheinlich ist das die Luthereiche. Die noch stehende Eiche weist einen Stammumfang von lediglich 2,80 m aus. Zwischen Stammumfang und Alter besteht immer ein ursächlicher Zusammenhang. Mit Sicherheit ist es nicht mehr der Baum von 1839. Jedem wird es einleuchten, dass Bäume mit ihrem Wurzelwerk auf einem Friedhof im Wege sind. So ist die ursprüngliche Heinrichseiche wohl lediglich eine Legende. Der heutige Baum ist eine Nachpflanzung und höchstens 100 Jahre alt. Vor der Bürgerschule, heute die Gotheschule, setzte man 1888 bei der Einweihung, verbunden mit obligatorischen Feierlichkeiten, ebenfalls eine sog. Friedens-Linde, die aber gleichfalls heute nicht mehr steht. Im Stadtpark stand eine 1894 gepflanzte Eiche, die an die Gründung des Stadtparkes erinnert. Sie ist  nicht mehr vorhanden, an der Stelle steht jetzt ein wesentlich jüngerer Baum. Gerade nach dem ersten Weltkrieg holzte die frierende Bevölkerung massenhaft Bäume auch im Stadtpark ab. Kaiser Wilhelm hatte sich 1918 aus dem Staub gemacht, sein frierendes Volk war ihm jetzt  egal. So sind die heute vorhandenen Laubbäume im Stadtpark alle neueren Datums, und höchstens 100 Jahre alt. Die Luthereiche am nördlichen Eingang, Stammumfang 3,20 m, wurde 1917 gepflanzt und erinnerte an 400 Jahre Reformation. Der jüngste Baum, eine Winterlinde, wurde 2016 mit einer kleinen Feier von Naturfreunden, den Grünen und der Stadtgärtnerin am Mittelweg des Stadtparkes gepflanzt.

Oberfrohna: So wurden in der Zeit des Patriotismus auch mehrere Eichen auf dem alten Friedhof Oberfrohna neben der heutigen Lutherkirche in die Erde gesetzt, das geschah ab 1871. Nach dem Sieg von 1871 der deutschen Staaten über den französischen Erbfeind schlugen die nationalistischen Wogen besonders hoch. Man fand viele Anlässe, um bei jeder passenden Gelegenheit Gedenkbäume zu pflanzen. Ein Baum, eine amerikanische Eiche oder Roteiche, die an der oberen Ecke des Kirchgrundstückes steht, scheint ca. 170 Jahre alt zu sein. Sie ist auch der mächtigste und prächtigste Baum an der Lutherkirche. Man muss bedenken, dass ein Baum im Jahr und im Umfang um ca 1 cm zulegt, damit kann man ungefähr auf das Alter des Gewächses schließen. Der Stammumfang dieser Eiche beträgt respektable 6,20 Meter. Weitere 5 Eichen stehen auf dem ehemaligen Friedhofsgelände und sind ca. 100 bis 120 Jahre alt. Die stärkste Eiche weist 3,40 m Stammumfang auf. Diese Bäume sind an den jeweiligen Standorten, den damaligen feierlichen Anlässen der Pflanzung, heute nicht mehr genau zuzuordnen. Man pflanzte auch später, aus Anlass des Sieges über Frankreich, patriotisch „mit Pauken und Trompeten“ eine weitere Eiche – die heute mächtige Bismarckeiche neben der Oberfrohnaer Gerhard-Hauptmann-Schule,  die seit der Pflanzung 1885 zu einem mächtigen Baum und Naturdenkmal heranwuchs. Hier weiß man genau, dass dies der damalig gepflanzte Baum ist. Die Eiche an der Schule erreicht einen Stammumfang von 4,20 Meter. Jede dieser Pflanzungen wurde mit einer patriotischen Feier verbunden, zugleich einem Volksfest.

Niederfrohna: Dann gibt es im nahen Mittelfrohna an der Hauptstraße noch einen weiteren denkwürdigen Baum, die sog. Friedenseiche, gepflanzt ab ca 1900. Auch sie wurde als Naturdenkmal mit einem Eulenschild versehen. Ganz unten in Niederfrohna an der Kirchenmauer haben wir eine weitere sehr starke Eiche mit 4,50 m Stammumfang. Der stärkste Baum in Niederfrohna ist eine Weide, die hinter dem Teppichfreund am Ufer des Frohnbaches steht.

Sonstige Bemerkungen zum Stadtgrün: Ein neues Phänomen an unseren alten Laubbäumen ist der sog. „Grünastbruch“ – das ist allerdings sehr selten. Starke Äste brechen manchmal im belaubten Zustand, auch bei Windstille ohne Vorwarnung ab. Eine gesonderte Theorie wurde dazu entwickelt. Leicht kann damit eine neue Hysterie entstehen. Beruhigend ist, im Limbacher Land gibt es seit langer Zeit keine Verletzungen von Menschen oder gar Todesfälle durch umgestürzte Bäume oder abgebrochene Äste. Heute besitzen wir im Limbacher Land 9 Laubbäume mit über 5 Meter Stammumfang, eine Roteiche mit über 6 Meter und eine Buche mit über 7 Meter Umfang. Wir besitzen damit mehr starke Laubbäume, wie die Stadt Chemnitz. Unsere alten und besonders die ortsbildprägenden Laubbäume sind quasi das Tafelsilber der Bürger und müssen um jeden Preis erhalten werden.

Friedemann Maisch

Quelle: Gemeindebuch-Oberfrohna 1839, Notizen von Paul Fritsching

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 26. November 2020 -

Die Turnbewegung in Deutschland ist 1807 von ‚Turnvater‘ Friedrich Ludwig Jahn und Friedrich Friesen ins Leben gerufen worden. Während Jahn zu den schon bekannten weitere Turngeräte hinzusetzte wie Barren oder Reck und die „geistige Formung einer Nation“ anstrebte, war Friesens Bemühen besonders in Verbindung mit den studentischen Burschenschaften auf die Befreiung von der Napoleonischen Besetzung Europas gerichtet. Er kämpfte gemeinsam mit Schill, Lützow, Körner in den Befreiungskriegen und fiel 1814. Die nationale Ausrichtung des Turnens gegen die deutsche Vielstaaterei und demokratische Ziele führten 1820 bis 1842 zum Verbot, der „Turnsperre“ nach dem Wiener Kongress 1815 und den Karlsbader Beschlüssen 1819.

   Zu einer Belebung des Turnens kam es, nachdem der König von Preußen, Friedrich Wilhelm IV., die Aufhebung des Turnverbotes angeordnet hatte. 1846 gab es in Sachsen schon 61 Turnvereine. Auch in unserer Gegend erlebte das Turnen einen deutlichen Aufschwung, schon 1845 wurde der „Turnverein Limbach“ gegründet, der sich 1861 und nochmals 1895 eine eigene Turnhalle auf dem Turnplatz Weststraße 51 erbaute. Die Turnhalle wurde 1991 wegen Baufälligkeit abgerissen. Die Telekom baute auf dem Gelände eine Telefon-Vermittlungsstelle.

   Der Verein war darum bemüht, mit den Nachbarvereinen Verbindung zu halten und bei gemeinsamen Veranstaltungen teilzunehmen. So fand 1846 in Waldenburg ein großes Turnfest mit mehr als 2000 Turnern – auch aus Limbach – statt, zu dem auch der Turnvater Jahn aus Freyburg gekommen war, zu Fuß! Das Turnen diente aber nicht nur der Körperertüchtigung, Turner sahen sich auch in der Pflicht, wenn es um die deutsche Einheit, die Verfassung und um demokratische Rechte ging. Die Februarrevolution in Frankreich von 1848 wirkte sich in Sachsen aus. Robert Blum in Leipzig leitete eine Protestbewegung. Von Hanau und Offenbach gingen Aufrufe aus, die Turner sollten sich zu bewaffneten Scharen vereinigen. Das führte zu Kontroversen in der Vereinsführung und Austritt von Mitgliedern. Limbacher (und andere) Turner kamen am „Volkstag“ am 5.4.1848 zur Demonstration vor das Waldenburger Schloss, das dabei in Flammen aufging. Ein meist aus Turnern bestehendes Freikorps unter dem Limbacher Karl Weiß nahm im Mai 1849 an den Barrikadenkämpfen in Dresden teil wie auch Richard Wagner, Gottfried Semper u.a. für die liberale Reichsverfassung und Grundrechte des deutschen Volkes. Die Revolution wurde mithilfe preußischer Soldaten niedergeschlagen, die Protagonisten mussten ins Exil fliehen (Sallmann) oder kamen ins Zuchthaus (Weiß), der Turnverein Limbach wurde 1850 aufgelöst, 1857 als Allgemeiner Turnverein Limbach wieder gegründet.

   Ein weiterer Verein wurde 1861 unter dem Namen „Turnverein Limbach“ ins Leben gerufen. Die Gründer waren aus dem bestehenden Allgemeinen Turnverein ausgetreten, weil sie mit dessen Verfassung nicht mehr einverstanden waren. Bereits ein Vierteljahr nach der Gründung formierte sich eine Turnerfeuerwehr, aus der 1873 die allgemeine Freiwillige Feuerwehr hervorging. Der neue Verein zählte bereits 1863 sieben Riegen und 1876 hundert Mitglieder. Er kaufte nach erfolglosen Versuchen 1908 ein Grundstück an der Feldstraße (Einsteinstr.) 36 A und errichtete1909 eine zweigeschossige Turnhalle mit Sitzungszimmer (später Gaststätte „Turnerklause“), zwei Wohnungen und einem großen Turnsaal, Umkleide- und Sanitärräumen. Die Turnhalle wurde 2003 abgerissen und auf dem anschließendem Turnplatz Einfamilienhäuser errichtet.

   Noch andere Turnvereine gründete sich 1862 in Oberfrohna und 1863 in Rußdorf. Der Oberfrohnaer turnte zunächst auf den Grundstücken Wolkenburger Straße 4, dann 6, kaufte 1887 vom Besitzer des Gasthofs Rautenkranz eine Fläche von 2000 m² und errichtete dort 1889 eine Turnhalle und plante erfolglos 1927 eine neue, größere. 1928 kaufte der Verein weitere Grundstücke an der Garten- (Rußdorfer) Straße und erbaute mithilfe der Bevölkerung und ansässiger Fabrikanten für 250.000 RM 1929 das Jahnhaus und 1938 die Jahnkampfbahn. Das Jahnhaus wurde bis 2014 über mehrere Jahre für über zwei Millionen Euro generalsaniert und beherbergt den TV Oberfrohna mit Fußball und anderen Mannschaften.                                     

Dr. Hermann Schnurrbusch

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 12. November 2020 -

Das Mädchen Lydia Clara Voigt wurde am 30. September 1874 geboren. Sie war ein Waisenkind, ihre Eltern – der Vater Florian Gottfried Voigt, Handarbeiter in Kreuzeiche[1] und die Mutter Maria Anna geb. Gras - waren beide verstorben. Deshalb lebte das Mädchen bei ihrer Pflegemutter, der Handschuhnäherin Therese verw. Heinig in Mittelfrohna[2]. Die schickte die Siebenjährige wie immer sonnabends, am 3.9.1881 gegen 2 Uhr nachmittags, nach Limbach, um bei einem Strumpffabrikanten die fertige Ware abzuliefern und neues Material wieder mitzubringen. Gegen 4 Uhr hatte sich das Kind auf den Rückweg gemacht, kam aber bis 6 Uhr nicht zu Hause an. Die zur Suche ausgeschickte Tochter der Pflegemutter Heinig konnte Lydia nicht finden, nahm aber an, sie habe wegen des heftigen Regens bei anderen Verwandten Unterkunft gefunden.

Die Leiche des Kindes wurde erst am Sonntag, 4.9.1881 von den Strumpfwirkern Stopp und Richter aus Fichtigsthal früh halb 5 Uhr im Obstgarten des Rittergutes Mittelfrohna gefunden. Der Gemeindevorstand wurde informiert, erkannte das Kind und veranlasste eine ärztliche Untersuchung. Das Ergebnis der gerichtlichen Leichenschau und Leichenöffnung ergab, dass das Mädchen „in der gewaltthätigsten Weise gemissbraucht worden ist und hierdurch seinen Tod gefunden hat“.[3]

Es wurde eine Suche eingeleitet und Anwohner befragt. Dabei stellte sich heraus, dass die 11-jährige Ida Selma Pester aus Niederfrohna ebenfalls auf dem gleichen Weg nach Limbach geschickt und wieder nach Hause gekommen war. Dieses Mädchen war am Limbacher Schießhaus von einem unbekannten Mann angesprochen worden, der es veranlassen wollte, mit ihm ins Tal zu gehen. Dem habe die Ida sich widersetzt, aber beobachtet, dass sie die kleine Voigt überholt hätten. Der Mann mit brauner Jacke und blauer Schürze wurde bald als der 26-jährige Fleischergeselle Carl Theodor Türpe identifiziert. Weitere Zeugen fanden sich: Der Steinbrecher Landgraf hatte sich am Tattag mit Türpe am Schießhaus unterhalten, unterwegs hatte Türpe weitere Zeugen – Hartwig, Aurich und Kühnert – getroffen, die in seiner Nähe ein kleines Mädchen gesehen hatten. Andere Zeugen waren Türpe begegnet, ein Dienstmädchen hatte ihn in der Nähe des Leichen-Fundortes gesehen.

Türpe war 1856 in Mittelfrohna geboren, lernte nach seiner Konfirmation das Fleischerhandwerk, leistete 1876 bis 1878 seinen Militärdienst ab und wurde wegen schweren Einbruchsdiebstahls für 1 Jahr und 4 Monaten Zuchthaus verurteilt und erst im Frühjahr 1881 entlassen. Vor einer Festnahme floh er am 6.9.1881 nach Chemnitz, Augustusburg und Leubsdorf, wo ihn der Borstendorfer Gendarm Köhler in der „Uhlemannschen Restauration“ anhand des Steckbriefes und des auffällig angekohlten Spazierstockes erkannte und nach erneutem Fluchtversuch arretierte.

Türpe wurde nach Chemnitz gebracht. Ihm wurde am 10. Dezember vor dem Schwurgericht der Prozess gemacht. 63 Zeugen und 3 Sachverständige waren geladen, Türpe leugnete die Verbrechen bis zuletzt. Aber weitere Untaten wurde ihm nachgewiesen (Notzucht an einer 14-Jährigen aus Mainsdorf, versuchte Notzucht in Dörnthal, Raub bei Olbernhau).

Wegen des Mittelfrohnaer Mordes wurde Türpe zum Tode verurteilt, wegen der anderen Verbrechen zu 15 Jahren Zuchthaus und Ehrverlust. Der Chemnitzer Rechtsanwalt Koch forderte zur Unterzeichnung einer Petition an den König auf, dass das Todesurteil „wegen der Scheußlichkeit des Verbrechens“ vollzogen werden solle. Türpe wurde am 28.4.1882 zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. 
                                                  
Dr. H. Schnurrbusch



[1] Der Mittelfrohnaer Ortsteil Kreuzeiche wurde 1931 nach Limbach eingemeindet.
[2] Das heutige Niederfrohna besteht aus den früher eigenständigen Orten Fichtigsthal, Mittelfrohna, Niederfrohna und Jahnshorn.
[3] Bekanntmachung der Staatsanwaltschaft Chemnitz im Augustusburger Anzeiger am 8.9.1881

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 20. August 2020 -

An der Stelle des heutigen Spielplatzes befand sich über mehrere Jahrhunderte die Oberfrohnaer Obermühle. Der Name kommt daher, dass der Ort noch eine Mittelmühle (Käferstein) und eine untere Mühle (Nickelmühle) besaß. Die Mühle bezog ihr Wasser aus dem Frohnbach über einen Mühlgraben entlang des Promenadenwegs für das Mühlrad und zum Füllen des „Schutzteiches“ als Reserve für Trockenzeiten. Die Mühle wurde schon 1584 als Schneide-, Mahl- und Ölmühle bezeichnet und war zumeist im Besitz der Familie von Schönberg auf dem Rittergut Limbach. Sie wurde von verschiedenen Pächtern betrieben, u.a. von Gräfe, Pester, Rätzer. 1875 brannte die Mühle ab.

   Heinrich Rätzer gründete auf dem Gelände der Mühle eine Fabrik für Stoffhandschuhe ► Sein Grab ist auf dem Friedhof Hainstraße noch erhalten, seine Villa (im Hintergrund der Abbildung mit dem Türmchen) dient heute noch als Kindergarten, und die Heinrichstraße ist nach ihm benannt. Nach einer Blüte der Handschuhindustrie gelang es der Firma Rätzer nicht, sich auf die Produktion von Wirkwaren oder Unterwäsche umzustellen, sie ging in den 1920er Jahren in Konkurs. Die Gemeinde Oberfrohna erwarb das Gelände und die Gebäude.

   Aus der Fabrik wurde ein Lager für den Arbeitsdienst, der in den Jahren 1935 bis 1938 mit 195 Männern u.a. den Sportplatz am Jahnhaus ausbaute. Nach dem Auszug des Arbeitsdienstes wurden die Unterkünfte weiter als „Volksdeutsche Lager“ genutzt für Umsiedler aus dem Baltikum, Wolhynien, Galizien, Bessarabien und für Kinder im Verlauf der „Kinderlandverschickung“.

   Ab Juni 1945 kam wieder Vertriebene und Flüchtlinge ins „Lager“ z.B. aus dem Sudetenland, den deutschen Ostgebieten, jetzt polnischen Pommern, Schlesien, Ostpreußen. In Oberfrohna mussten etwa 2.000 „Neubürger“ untergebracht werden. Ab 1948 wurden die Fabrikräume zu 24 Wohnungen umgebaut. Im Oktober 1974 wurde im „Lager“ eine Konsum-Kaufhalle „Waren täglicher Bedarf“ eingerichtet, nachdem Dutzende privater Lebensmittelläden, Bäcker, Fleischer usw. dem Weg zum Sozialismus zum Opfer gefallen waren. Die Kaufhalle existierte bis 1994. Die leerstehenden Gebäude wurden zunehmend baufällig und 2002 abgerissen.

Die Brachfläche stellte 18 Jahre einen Schandfleck im Ortsbild dar, bis 2020 der erste und einzige Kinderspielplatz in Oberfrohna für mehr als eine halbe Million Euro entstand.

   Der Spielplatz wurde am 17. Juli 2020 als Kreativ- und Verkehrsgarten eingeweiht.

© H. Schnurrbusch 2020

- veröffentlicht im Stadtspiegel am 6. August 2020 -

Nach der Ortsdurchfahrt Meinsdorf steigt die Straße an, wir sind auf dem Kapellenberg. Von hier aus kann man weithin ins Land schauen. Die Anhöhe ist immerhin 434 Meter hoch. In der Ferne sieht man bei klarer Sicht 50 km entfernt das Kraftwerk Lippendorf bei Leipzig. Einige Male konnte man von hier aus in etwa 70 km Entfernung sogar das Leipziger Völkerschlachtdenkmal erblicken. Dann kommt links die Einfahrt zu einem aufgeschotterten Feldweg, der ehemaligen Alten Meinsdorfer Straße in Richtung Pleißa. Der Feldweg führt auf dem Höhenrücken entlang und endet an der Pleißaer Kirche. Links das Rußdorfer Holz, ein sogenannter Bauernwald. Dort an der westlichen Ecke des Rußdorfer Holzes bzw. am Kapellenberg entspring auch der Folgenbach. Unmittelbar nach der Quelle am Waldzipfel hat man einen kleinen Teich angelegt, gesäumt von starken Bäumen: einer mächtigen Buche und einer Eiche. Früher stand dort in der Nähe, Errichtung ab 1720 und der Abriss 1877, eine Wassermühle, die Holzmühle. Nun konnten die Rußdorfer ihr Korn im Ort mahlen lassen und mussten nicht mehr „ins Ausland“ gehen. Das war der eigentliche Antrieb zum Bau dieser Wassermühle. Bekanntlich war Rußdorf früher eine Herzoglich Altenburgische Enklave mit hinderlichen Zollschranken und gehörte nicht zu Sachsen. Im Rußdorfer Holz sind aus damaliger Zeit noch Grenzsteine vorhanden, die das Altenburger Gebiet zu  Sachsen markierten.  Neben dem Mahlgang war vermutlich noch ein Sägegatter für die Holzbearbeitung vorhanden, deshalb der Name Holzmühle. Das angestaute Wasser der Mühlteiche ermöglichte den Gang des Wasserrades. Die Mühle entwickelte sich im Laufe der Zeit im Teichgebiet zum beliebten Ausflugsziel mit Ausschank für Spaziergänger am Wochenende. Wie übli